Lukas Kastner, Karolin Kautzschmann, Verena Kreilinger, Rio Mäuerle, Christian Zeller
Salzburg, 18. Mai 2017
Den vollständigen Text zum Download gibt es hier.
Sozialliberale, Grünliberale, Neoliberale, Liberalkonservative, Nationalliberale und Nationalkonservative streiten sich vor den kommenden Nationalratswahlen um die Gunst der großen Medien und der WählerInnen. Gibt es auch eine solidarische Kraft, die für gute Arbeit, günstige Wohnungen, richtige Sozialversicherungen, Geschlechtergerechtigkeit, einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur und das alles in einer internationalen Perspektive einsteht? Bislang leider nicht! Doch es gibt die Chance auf eine gemeinsame linke Liste, mit der sich die KPÖ, Aufbruch und weitere Interessierte zur Wahl stellen und den wahlberechtigten ÖsterreicherInnen eine politische Alternative bieten. Diese gemeinsame Wahlliste könnte den Anfang für den Aufbau eines Widerstandspols sein.
Vom Einheitsdenken zur bürgerlichen Einheitsregierung
Die Machtübernahme von Außenminister Kurz über die ÖVP und der damit eingeleitete Bruch der Regierungskoalition eröffnen eine neue politische Phase in Österreich.
Wir werden bei den kommenden Wahlen im Oktober mit großer Wahrscheinlichkeit einen massiven Rechtsruck der institutionellen Politik Österreich erleben. Eine ÖVP-FPÖ-Regierung wird noch energischer und brutaler gesellschaftliche Errungenschaften angreifen. Das grundsätzliche und strategische Anliegen ist klar: Teile der österreichischen Wirtschaft wollen ihre Position im globalen Wettbewerb gegenüber den Rivalen in Asien stärken. Die Lohnstückkosten sind zu senken und die Arbeit weiter zu flexibilisieren. Selektive Migration für bestimmte Qualifikationsbereiche und zur Senkung der Löhne ist erwünscht. Wer den Kriterien nicht entspricht, soll kein Recht auf Existenz in Österreich (und Europa) haben. Das Leben vieler Menschen wird schwieriger werden. Die politischen Spielräume für alle, die eine solidarische und umweltgerechte Gesellschaft anstreben, werden noch enger werden.
Die rechtspopulistische FPÖ gibt sich nunmehr verantwortungsbewusst und will endlich mal die Regierungsgeschäfte übernehmen. Die Unterschiede zwischen Kurz und Strache scheinen graduell zu sein. Viel deutet darauf hin, dass sich das Kurz und Strache problemlos auf ein neoliberales Wirtschaftsprogramm mit nationalliberaler Migrations- und Sozialpolitik, das die wettbewerbsstaatliche Logik tief in der Gesellschaft verankern will, einigen werden. NEOS, Grünen und Stronach-Leuten bleibt da nichts anderes übrig, als sich als verantwortungsbewusste und unterwürfige PartnerInnen für die Großen anzubieten.
Gleichzeitig wird sich der Erosionsprozess der SPÖ verstärken. Bislang erzeugte die SPÖ noch Loyalität mit der Zuspitzung der Polarisierung gegen die FPÖ. Dieses Argument fällt weg, da nun die SPÖ selber mit der FPÖ zu koalieren bereit scheint. Noch bestehende soziale Netze werden sich auflösen. Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen über den 12-Stunden-Tag sind nur ein Vorgeschmack. Ein Angriff auf Institutionen wie die Arbeiterkammer etc. ist nicht ausgeschlossen. Was passiert dann? Wenn es dann auch nicht mal den Hauch von kämpferischen Kräften gibt, wird das zu einer weiteren Desartikulation dessen führen, was einst Arbeiterbewegung genannt wurde. Die schleichende Erosion der SPÖ ist in den europäischen Kontext zu stellen. Der Parti Socialiste in Frankreich ist in diesen Monaten dabei ganz zu verschwinden und sich in Einzelclans aufzuspalten, der PSOE in Spanien droht das Schicksal der griechischen PASOK, also die Erosion auf eine 5% Partei. Die sozialdemokratische PvdA (Partei der Arbeit), die als langjährige niederländische Regierungspartei bislang Wähleranteile zwischen 20% und 33% erzielte, erhielt bei den Parlamentswahlen im März noch 5,7%. In Italien gibt es schon seit Jahren keine klassische Sozialdemokratie mehr. Die SPD wird die Wahlen im September mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich verlieren. Das sind dramatische Einbrüche und stellen die Existenz der Sozialdemokratie, so wie wir sie noch kennen, komplett in Frage
Eine solidarische Alternative fehlt
Der Niedergang der Sozialdemokratie hätte theoretisch das Feld für konsequente radikalreformerische oder gar antikapitalistische Kräfte öffnen können. Das ist nicht der Fall. Vielerorts in Mittel-, Nord- und Osteuropa tritt die populistische Rechte in das Vakuum und beginnt aktiv das gesellschaftliche Massenbewusstsein in ihrem reaktionären Sinne zu bearbeiten. Die Kräfte, die die kapitalistische Gesellschaft etwas sozialer organisieren oder sie gar überwinden wollen, sind in einer denkbar ungünstigen Situation.
Das große Drama in Österreich besteht darin, dass es keine solidarische, ökologische und demokratische oder gar antikapitalistische Alternative gibt. Es gibt keine Bewegung und keine Partei, die sich entschlossen auf die Seite der Lohnabhängigen, der Auszubildenden, der Studierenden, der MieterInnen, der MigrantInnen und aller Unterdrückten stellt.
Die gesellschaftliche und politische Linke in Österreich ist in einem schlechten Zustand. Mit Ausnahme der KPÖ in Graz, hat keine Organisation es auch nur ansatzweise geschafft, sich gesellschaftlich zu verankern und ein gewisses Gewicht zu verschaffen. Die KP Steiermark hat bewiesen, dass es einer langfristigen und langwierigen Aufbauarbeit bedarf.
Die unterschiedlichen linken Bündnisse in Wien (u.a. ANDAS – Wien Anders) haben im Laufe der letzten Jahre wichtige gesellschaftliche Anliegen vertreten, doch ihr Einfluss hat kaum je über die engen Grenzen kritischer intellektueller städtischer Milieus hinausgereicht.
Das Projekt Aufbruch löste im Frühjahr 2016 große Hoffnungen und Erwartungen auf einen Neuformierungsprozess einer kämpferischen solidarischen linken Kraft aus. Doch leider hat es Aufbruch nur ansatzweise geschafft, den Schwung, den die Konferenz vom 4. Juni 2016 beförderte, in ein fundiertes österreichweites Organisationsprojekt zu überführen. Es gelang nicht einen offenen Diskussionsprozess über die grundlegende Orientierung der Organisation zu eröffnen und zu führen. Das rächt sich jetzt. Aufbruch ist nicht gewappnet für die schwierigen Herausforderungen. Viele Diskussionen scheinen in kleinen Zirkeln geführt zu werden, an denen sich Interessierte außerhalb Wiens kaum beteiligen können. Innerhalb von Aufbruch scheint bisweilen die Illusion zu bestehen, eine spritzige Kampagne reiche um die Menschen anzusprechen und eine Organisation aufzubauen. Man könne gewissermaßen auf einer Welle des gesellschaftlichen Aufbruchs reiten. Dem ist nicht so. Der Aufbau einer politischen Organisation ist viel langwieriger und im Laufe des Aufbauprozesses sind immer auch schwierige und klärende Debatten zu führen. Solche Debatten helfen aber, das Profil zu schärfen. Aufbruch hat es bislang fast systematisch vermieden, solche klärenden Debatten zu führen.
Die Linke in Österreich ist nicht nur schwach, sondern regional auch sehr ungleich aufgestellt. Jenseits von Wien und Graz gibt es kaum breitere kritische urbane Milieus. Keine kritische oder gar antikapitalistische Kraft verfügt auch nur ansatzweise über eine Verankerung in größeren Betrieben. Gewerkschaftliche Diskussionen finden weitgehend ohne antikapitalistische Stimmen statt. Jenseits von Graz und Wien gibt es auch keine organisatorischen Kerne – weder die KPÖ noch irgendeine andere Gruppierung ist in der Lage politische Initiativen zu ergreifen und breitenwirksame Kampagnen zu führen, weder auf lokaler Ebene noch auf bestimmten Sachfragen. Die Schwäche der Linken ist dramatisch.
Da viele Erfahrungen und Lehren der vergangenen ArbeiterInnenbewegung und früherer Kämpfe vergessen wurden, ist nichts mehr selbstverständlich. Es gibt keine Abwehrreflexe, keine theoretischen Bezugspunkte, keine Haltelinien. Da es kaum Organisationen gibt, fehlt auch so etwas wie ein kollektives Gedächtnis. Die Intellektuellen an Universitäten können das nicht ersetzen. Im Gegenteil, sie tragen zur Individualisierung der Wissensproduktion und Erfahrungsverarbeitung bei. Sie präsentieren sich lieber als respektable und kritische Individuen, als dass sie sich den Mühen einer oft verborgenen und kleinteiligen Arbeit eines Organisationsaufbaus unterziehen.
Neu organisieren, auch an Wahlen
Wahlen sind üblicherweise Momente erhöhter politischer Sensibilität in der Bevölkerung. Wahlen bieten auch antikapitalistischen Kräften jeweils eine Gelegenheit in Diskussion mit größeren Teilen der Bevölkerung zu kommen. Das geschieht aber nur, wenn diese Organisationen in der Lage sind, einigermaßen wirksame Wahlkämpfe zu führen. Diese Linke ist organisatorisch zersplittert oder gar nicht organisiert. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Wahlkampf.
Die KP Graz vertritt wohl die Linie, die KPÖ solle in ganz Österreich bei den Nationalratswahlen antreten. Das ist zwar gut nachvollziehbar, da sich keine andere Kraft auch nur annähernd eine ähnlich starke gesellschaftliche Verankerung erarbeitet hat. Dennoch wäre das unter dem Gesichtspunkt der Kräfteverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital ein Fehler. Denn die Organisationskerne der KPÖ sind in allen Bundesländern, außer eben in der Steiermark, ebenfalls sehr schwach, kaum stärker als jene von Aufbruch oder anderen Initiativen. Die KPÖ wird es alleine nicht schaffen, sich als attraktiven Pol darzustellen. Doch auch alle anderen Projekte, namentlich Aufbruch, sind weit von diesem Ziel entfernt. Erschwerend kommt hinzu, dass die politischen Konstellationen in den Bundesländern ziemlich unterschiedlich sind. Keine Kraft kann einen Alleinvertretungsanspruch für eine solidarische Alternative anmelden, geschweige denn durchsetzen. Wer das tut, diskreditiert sich.
Wir sprechen uns dafür aus, die Zusammenarbeit von Aufbruch und KPÖ zu entwickeln und vertiefen. Das gilt bei Sachfragen, Kampagnen und Wahlen. In dieser Situation der Schwäche und regional ungleicher Voraussetzungen wäre eine bundesweite Bündnisliste die angemessenste Variante. Diese Bündnisliste sollte einen einfachen Namen haben und der Name der KPÖ sollte explizit im Namen der Liste stehen. Die Listenbezeichnung sollte auch die Namen von Aufbruch und vielleicht weiterer Gruppierungen umfassen.
Damit würde man der Verankerung der KPÖ in Graz und in der Steiermark Rechnung tragen. Das würde zugleich auch erlauben, dass andere Kräfte und vor allem Leute, die mit Parteien nichts zu tun haben wollen, sich dem „Wahlprojekt“ anschließen könnten. Eine solche „Bündnis-KPÖ-Liste“ könnte darüber hinaus geschmeidig ihr Auftreten und ihre Kampagne den regionalen Besonderheiten in den Bundesländern und Städten anpassen. Die Liste hieße in ganz Österreich gleich, doch die Zusammensetzung und vielleicht sogar die Orientierung der lokalen Kampagnen könnten sich unterscheiden.
Wir denken, dass die KP Steiermark eine Verantwortung für die Linke weit über die Grenzen von Graz bzw. der Steiermark hinaus trägt, weil sie so stark und anerkannt ist. Eine gemeinsame Liste könnte durchaus eine kleine Dynamik auslösen und der breiten Öffentlichkeit zeigen, dass es eine, obgleich bescheidene Kraft, jenseits von Sozialliberalen, Neoliberalen, Nationalliberalen, Liberalkonservativen und Nationalkonservativen gibt. Relevant wäre aber der mittelfristige Effekt über die Wahlen hinaus. Man könnte sich in die Lage versetzen, einen solidarischen und kämpferischen Pol aufzubauen. Dazu muss man in der breiten Gesellschaft sichtbar sein. Das heißt das Projekt „Einheitsliste“ zielt vor allem auf den mittelfristigen und längerfristigen Aufbau eines Widerstandspols gegen den neoliberalen und nationalliberalen Durchmarsch mit seiner Ideologie der verallgemeinerten Konkurrenz.
Aufbruch könnte sich aktiv in eine derartige Kampagne einbringen, sie in einigen Orten vielleicht sogar tragen. Aufbruch könnte im Zuge dieser Kampagne an inhaltlicher Kompetenz und Kohärenz zulegen, was wiederum für die gesamte Linke nützlich wäre. Die KPÖ könnte überall ihre eigene Kampagne führen und in jenen Regionen, wo sie verankert ist, auch wirklich eine gesellschaftliche Breitenwirkung erzielen.
Warum eine offene KPÖ-Liste keine gute Option ist
Verschiedene Personen und Teile der KPÖ schlagen eine offene KPÖ-Liste vor. Auf dieser KPÖ-Liste könnten dann Personen von Aufbruch und weitere Interessierte kandidieren. Mehrere Gründe sprechen gegen diesen Vorschlag:
Die KPÖ ist Teil einer politischen Tradition, die dazu beigetragen hat, die Perspektive einer Selbstemanzipation der Lohnabhängigen auf Jahrzehnte zu diskreditieren. Noch immer vermag sich die KPÖ nicht vom Erbe der stalinistisch-bürokratischen Diktaturen zu lösen. Die KP Steiermark vertritt weiterhin politische Konzepte, die nicht in Richtung Selbstemanzipation der Lohnabhängigen und Ausgebeuteten zielen, sondern die Partei als Ersatz für Selbsttätigkeit betrachtet. Die KPÖ und besonders die KP Steiermark hängen weiterhin einem geopolitischen Blockdenken an, das dazu führt, sich nicht bedingungslos auf die Seite der Entrechteten und Unterdrückten, wo auch immer, zu stellen, sondern auf die Seite von repressiven Regimes, weil sie sich geopolitisch dem westlichen Imperialismus entgegenstellen. Solche Positionierungen bieten keine solide Grundlage für einen längerfristigen Neuzusammensetzungsprozess einer solidarischen und antikapitalistischen Kraft.
Eine offene KPÖ-Liste ist für Aufbruch keine sinnvolle Option. Aufbruch und allenfalls unterstützende Gruppierungen und Individuen würden damit zum schlichten Anhängsel der KPÖ degradiert. Aufbruch würde das Ziel eines eigenständigen Profils gegenüber einer breiteren Bevölkerung tendenziell aufgeben. Aus Sicht von Aufbruch würde eine offene KPÖ-Liste bedeuten, dass Aufbruch seinen Anspruch als Organisation gemeinsam einzugreifen, letztlich bereits aufgegeben hat, bevor das Projekt überhaupt Fahrt aufnehmen konnte. Es würde darauf hinauslaufen, dass einzelne profilierte Individuen von der KPÖ auf ihrer Liste adoptiert würden. Damit würde die Perspektive der Neuformierung einer kämpferischen antikapitalistischen Kraft bereits aufgegeben. Die Zentrifugaltendenzen nähmen zu und die Wahrscheinlichkeit, dass Aufbruch bald scheitern wird, vergrößerte sich deutlich. Wir würden eine offene KPÖ-Liste nicht aktiv unterstützen. Die KPÖ müsste in diesem Fall den Wahlkampf alleine tragen.
Selbstverständlich ist die große Arbeit und Verankerung der KPÖ in der Steiermark anzuerkennen. Sie hat es als einzige Kraft verstanden, eine Basis gegen die neoliberale und reaktionäre Dampfwalze nicht nur zu verteidigen, sondern sogar auszubauen. Eine intensivere Zusammenarbeit könnte einen gegenseitigen und gemeinsamen Lernprozess fördern.
Für eine Einheitsliste KPÖ-Aufbruch
Trotz politischer Differenzen und kultureller Unterschiede halten wir eine gemeinsame Liste KPÖ-Aufbruch-Andere für sinnvoll und möglich. Neben gemeinsamem Wahlmaterial, könnte jede Organisation weiterhin völlig autonom ihre eigene Kampagne führen. Alle Beteiligten könnten ihre Projekte fortsetzen, allerdings natürlich mit gegenseitigen Absprachen. Eine gemeinsame Liste von KPÖ-Aufbruch und allenfalls weiteren PartnerInnen böte die Grundlage für einen ernsthaften Diskussionsprozess, der auch die Wahlen überdauern könnte. Es geht ja nicht nur um einen gemeinsamen Wahlauftritt, sondern darum, kampagnen- und initiativfähig in konkreten Auseinandersetzungen zu werden. Ein Beispiel ist die von der KPÖ lancierte Kampagne „Wohnen darf nicht arm machen!“. Aufbruch sollte diese Kampagne ohne zu zögern unterstützen und mit eigenem Material in Kontakt mit den Menschen in den Wohnvierteln treten. Der Widerstand gegen die 12-Stunden-Woche, die Arbeitszeitflexibilisierung, den Abbau bei den Sozialversicherungen und die Verschlechterungen der Schulen (u.a. an die Schulen delegierte Mangelverwaltung, größere Klassen) könnte durch einen gemeinsamen Auftritt von KPÖ, Aufbruch und anderen ebenfalls gestärkt werden. Die KPÖ mit ihrer Erfahrung und Aufbruch mit seinen neuen AktivistInnen tragen eine politische Verantwortung. Sie kommen dieser Verantwortung nach, wenn sie bei den kommenden Nationalratswahlen am 15. Oktober einen gemeinsamen Pol bilden. Eine offene Einheitsliste KPÖ-Aufbruch kann ein wichtiges Signal für kritische GewerkschafterInnen, Aktive in Wohnkampagnen, Stadtteilinitiativen und Umweltbewegungen, globalisierungskritischen Gruppierungen, in Attac und EU-kritischen Gruppen sein, dass ihre Aktivitäten doch noch gemeinsame Ausdruckformen finden. Gelingt es einen solchen konsequenten Pol zu entwickeln, ist auch ein respektables Wahlergebnis möglich. Doch der zentrale Grund für die Einheitsliste ist nicht das Wahlergebnis, sondern der mittelfristige Aufbau eines Widerstandspotentials und eines antikapitalistischen Pols in einer künftig sehr schwierigen Zeit. KPÖ und Aufbruch tragen eine Verantwortung, wir möchten dazu beitragen, dass sie sich dieser auch stellen.
Wir selber wollen eine initiativ- und kampagnenfähige Aufbruch-Gruppe in Salzburg im Rahmen von Aufbruch Österreich aufbauen. Das ist schwierig und langwierig. Wir wollen diesen Aufbauprozess offen vorantreiben. Offen heißt, wir wollen uns nicht gegenüber anderen Kräften abgrenzen, sondern immer gemeinsame Aktionsperspektiven ausloten. Zugleich wollen wir durch Bildungs- und Diskussionsprogramme den kollektiven Wissens- und Erfahrungsschatz erweitern. Offene und gemeinsame Lernprozesse werden uns voranbringen. Das heißt aber auch, politische Klärungen sind Schritt für Schritt voranzutreiben, auch mit dem Risiko, dass diese Klärungen Konflikte mit sich bringen. Diese Klärungen und Konflikte bringen uns jedoch weiter und erlauben uns, die Arbeit auf stabileres inhaltliches Fundament zu stellen.
Lukas Kastner, Karolin Kautzschmann, Verena Kreilinger, Rio Mäuerle, Christian Zeller sind alle in Aufbruch Salzburg aktiv.
Die grundlegende Analyse der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse, die vorangestellt wurden, teile ich.
Allerdings zu der Formulierung im letzten Drittel habe ich Bedenken.
Zitat: „Doch der zentrale Grund für die Einheitsliste ist nicht das Wahlergebnis, sondern der mittelfristige Aufbau eines Widerstandspotentials und eines antikapitalistischen Pols in einer künftig sehr schwierigen Zeit.“
Hier wird suggeriert, dass es möglich wäre eine „einheitliche Linke“ zur formen und, dass maßgeblich ein Konstrukt einer Einheitsliste in der kommenden Wahlauseinandersetzung einen positiven Identitäts-stiftenden Wert besäße. Diese Meinung, falls ich die Autoren richtig verstanden habe, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist die historische Erfahrung, dass es weder den Sozialdemokraten noch die Grünen gelungen ist „Einheitsparteien“ zu generieren. Die Sozialdemokraten konnten die Anarchisten nicht inkludieren, die Grünen schafften es nicht deren marxistische Denkerinnen zu inkludieren. Vielleicht ist die Biographie von Dieter Schrage das beste Beispiel dafür, der für sich bekanntlich ja in beiden Gruppierungen einen nur bedingten Organisierungsgrad verwirklichen konnte. Und das hatte viele, viele Gründe.
Ebenso kann ich nicht nachvollziehen, warum das Konstrukt einer Einheitsliste nicht hauptsächlich auf ein möglichst erfolgreiches Wahlergebnis abzielen sollte. Natürlich muss es das. Ist es doch der Sinn einer möglichst verständlichen Wahllistenbezeichnung sich formell an der Wahl für das bürgerliche Parlament zu beteiligen und letztlich die Vorraussetzung dafür, dass eine echte linke Wahl-Alternative für die Wahlberechtigten am Stimmzettel möglich wird.
Der „mittelfristige Aufbau eines Widerstandspotentials … in einer künftig sehr schwierigen Zeit“ z.b. nach geschlagener Wahl und erfolgter Bildung einer Rechtsextrem-Neoliberalen Bundesregierung mit autoritärem Gepräge kann maximal antizipiert werden.
Somit trete ich hier dafür ein, dass die beiden Aktionsformen A) Wahlkampagne und B ) praktischer Widerstand gegen die Zurichtung unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinander gehalten werden. Beider Aktionsformen haben allerdings eine gemeinsame Vorraussetzung — den Willen zur wirkmächtigen Tat.
Wer als Aktivistin zu der Selbstüberzeugung gelangt ist, dass es wichtig und NOT-wendig ist, dass die 4 % Hürde übersprungen werden muss, um linke Menschen als MandatarInnen im künftigen Parlament vertreten zu sehen, der muss die linke Alternative am Stimmzettel auch wählen, völlig egal welche Kurz- oder Langbezeichnung als Kompromiss dargeboten werden wird. Zurzeit ist von konstruktiver Bedeutung darüber nachzudenken, welche Ressourcen als Gruppe in die Kampagne realistischerweise eingebracht werden kann und welche nicht. Die bereits vom Aufbruch und der KPÖ angezogenen Mobilisierungswerkzeuge, wie es deren beiden wohnpolitischen Kampagnen darstellen sind ja hilfreich, um diese Einschätzung glaubhaft zu untermauern. Es besteht auch der bereits ausgesprochene Konsens sich in diesem Punkt gegenseitig konstruktiv zu unterstützen.
Wenn im Spätherbst eine Rechtsextrem-Neoliberale Bundesregierung tatsächlich gegeben sein wird, dann wird der Wille zur Tat das Kriterium sein ob – außerparlamentarisch oder als Kraft im Parlament – die Aktivistinnen mit ihrer Selbstüberzeugung den Kampf um die Hegemonie in Österreich gestärkt zusammen weiterführen werden.