Die Frau ist die Arbeitskraft Nummer eins auf der Welt und die internationale Frauenbewegung vermittelt uns die Botschaft, dass es möglich ist, sich gegen die Bedingungen der Unterdrückung und die Ausbeutung durch Arbeit zu erheben. [1]
Noch nie in der Geschichte des Kapitalismus war die Arbeiter*innenklasse so feminisiert wie heute. Wenn wir die Zahlen [2] für nicht angemeldete Erwerbstätigkeit und so genannte Hausarbeit zur globalen Erwerbsbevölkerung addieren, können wir sagen, dass die Mehrheit der Arbeitenden heute Frauen sind.
von Josefina L. Martínez
„Wenn wir stillstehen, steht die Welt still“: Der globale Frauenstreik am 8. März 2018 hat diese tiefgreifende Transformation sowie das Potenzial einer weltweiten Frauenbewegung deutlich gemacht, die als Katalysator im Kampf gegen patriarchale Gewalt, kapitalistische Prekarität sowie rassische und sexuelle Unterdrückung fungiert.
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) machen Frauen heute bis zu 40% der weltweiten Erwerbsbevölkerung aus. Darin enthalten sind erhebliche regionale Ungleichheiten: Während der Anteil weiblicher Arbeitskräfte in der Eurozone und in Nordamerika bei rund 46% liegt, sind es in Südamerika, der Karibik und Ländern wie China über 41%. In Regionen wie dem Nahen Osten und Nordafrika sinkt der Anteil jedoch auf 20%, steigt allerdings auf über 50% in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.
Diese Daten beziehen sich jedoch nur auf Personen, die gegen Entgelt arbeiten oder aktiv auf der Suche nach Arbeit sind. Sie beinhalten nicht die große Menge an „unsichtbarer“ Arbeit von Frauen zu Hause [und in der landwirtschaftlichen Familienarbeit usw.]: Betreuung von Kindern, Kranken und Abhängigen, Nahrungszubereitung, Lagerung von Wäsche und Kleidung, Reinigung usw.
Insgesamt zeigt das 20. Jahrhundert einen Aufwärtstrend bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Aber dieser Trend hat sich seit 1970 deutlich erhöht und die Kurve auf den bisher höchsten Stand gebracht. In den Vereinigten Staaten machten Frauen 1910 22,8% der Belegschaften aus. 1960 hatte sich diese Zahl fast verdoppelt und 2016 waren es 56,8%. In Spanien war dieser Anstieg langsamer, wobei die weibliche Erwerbsbevölkerung zwischen 1910 und 1970 unter 15% blieb. Danach stieg sie rasch an und erreichte 2017 über 46%.
Die doppelte Arbeit von Frauen
Die wirtschaftliche Globalisierung – in ihrer neoliberalen Form – hat zur Ausweitung der Industrie- und Dienstleistungsarbeit in neuen, bisher überwiegend ländlichen Teilen der Welt geführt. Sie impliziert auch die Vervielfachung von Formen der Zulieferung, der Teilzeitarbeit, des Outsourcings und der unsicheren Arbeit, die alle weitgehend Frauen betreffen. In den ärmsten Ländern ist die Feminisierung der Arbeit besonders hoch, wobei die Mehrheit der Frauen informell arbeitet: in Indien z.B. sind es 86% und in Ländern wie Bolivien, Peru, Pakistan oder Indonesien mehr als 70%.
Die Aufgaben, die Frauen in Millionen von Haushalten erfüllen, sind in der Arbeitsstatistik unsichtbar. Wie Feministinnen in der Theorie der sozialen Reproduktion allerdings erklären, ist das Kapital auf die Reproduktion der Arbeitskraft angewiesen: Damit die Arbeiterinnen und Arbeiter jeden Tag in die Fabrik oder ins Büro zurückkehren können, müssen sie essen, sich anziehen und ausruhen. Budgetkürzungen und neoliberale Privatisierungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheitswesen erhöhen die doppelte Arbeitszeit von Frauen weiter. Die Zeit, die Frauen für die Pflege von Familienangehörigen aufwenden, ist viel länger als die der Männer. In Frankreich verbringen Frauen doppelt so viel Zeit mit unbezahlten Haushaltsaktivitäten wie Männer; in Ländern wie Spanien und Argentinien sind es dreimal so viel. In Ländern wie Indien liegt das Verhältnis bei 10 zu 1.
Wenn Frauen aufmucken
In den letzten Jahren haben Frauenkollektive eine führende Rolle in gewerkschaftlichen Kämpfen gespielt. „Ja, es ist möglich, ja, es ist möglich, ja, es ist möglich, ja, es ist möglich, wenn eine Frau voranschreitet, zieht sich kein Mann zurück“: Das ist das Motto der Arbeiter*innen von Coca-Cola [der Abfüllbetrieb in Fuenlabrada, etwa 20 km von Madrid entfernt, wurde am 22. Januar 2014 geschlossen, und seither leisten Frauen Widerstand aller Art]. Die „Espartanas“ sind ein Symbol für die Arbeiter*innenkämpfe in Spanien. Sie sind Arbeiterinnen, Mütter, Töchter und Ehefrauen von Arbeitern, die gegen einen transnationalen Konzern antreten.
„Frauen sind weiblich und pluralistisch: Wir leiden unter allen Aspekten von Gewalt am Arbeitsplatz“: Das sagten die Reinigungskräfte der Vereinigung Las Kellys bei einem Treffen am 8. März 2018. Frauen im Logistikzentrum Hennes & Mauritz streikten in Madrid unbefristet und in den Seniorenresidenzen in Biskaya kämpften Frauen 370 Tage für bessere Arbeitsbedingungen. […] Dies sind Phänomene, die sich international wiederholen, z.B. mit den großen Streiks von Lehrer*innen in West Virginia und anderen US-Bundesstaaten; den Streiks der Arbeiter*innen in den Stamford Hilton Hotels in den Vereinigten Staaten [sowie dem aktuellen Streik – initiiert am 7. September 2018 – in rund 26 High-End-Hotels in Chicago], den kämpfenden Reinigungskräften der Pariser Bahnhöfe oder den streikenden Krankenschwestern in indischen Spitälern.
Eine internationale Frauenbewegung
Die Dynamik der internationalen feministischen Bewegung scheint Arbeiter*innen, die prekär angestellt und schlecht bezahlt sind, anzuspornen sowie ihr Selbstvertrauen zu stärken und es ermöglicht ihnen, an der Spitze von Arbeiter*innenkämpfen zu stehen. Die Vorstellung, dass es möglich ist, gegen Bedingungen der Unterdrückung und Ausbeutung von Arbeiter*innen zu rebellieren, breitet sich bei Frauen aus. Es ist wichtig, diese Dynamik zu erkennen, um einen doppelten Fehler zu vermeiden: Auf der einen Seite geht es darum zu vermeiden, die Arbeiter*innenklasse als abstraktes, geschlechtsloses Subjekt zu betrachten – was das männliche Geschlecht „universell“ und die Forderungen der Frauen unsichtbar macht. Aber auch der umgekehrte Fehler muss vermieden werden: die Konstruktion eines unbestimmten weiblichen Subjekts ohne Klassenzugehörigkeit; das heisst ohne die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der Frauen Arbeiterinnen sind, oftmals prekär angestellt, mit migrantischem Hintergrund und arm.
*Josefina L. Martínez ist Historikerin und Journalistin.
Übersetzung und leichte Überarbeitung durch die Redaktion.
[1] Wir übernehmen einen Beitrag, den die Zeitschrift Revista Contexto am 12. September auf spanisch, die Zeitschrift À l’econtre am 18. September auf französisch und sozialismus.ch am 20. September auf deutsch publizierten (Red.)
[2] Statistische Quellen: Internationale Arbeitsorganisation, ILOSTAT-Datenbank. November 2017; „Working women: Key facts and trends in female labour force participation“, in Our World in Data, 2017.