Karl Marx kritisierte den Kapitalismus nicht nur, weil er Wirtschaftskrisen produziert und die Lohnabhängigen ausbeutet. Er erkannte auch, dass der Kapitalismus unvereinbar ist mit einem nachhaltigen Wirtschaften. In diesem Interview mit Kohei Saito lernen wir einen Karl Marx kennen, der bereits vor 150 Jahren die durch den Kapitalismus verursachte Umweltzerstörung anprangerte. Kohei Saito hielt am 6. Mai dieses Jahres an der Universität Salzburg einen Vortrag über die ökosozialistischen Ideen von Marx. Kohei Saito wurde im deutschen Sprachraum durch sein 2016 publiziertes Buch Natur gegen Kapital. Marx‘ Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus bekannt. Wir übernehmen das von sozialismus.ch übersetzte Interview, das zunächst auf Englisch auf der Webseite Climate & Capitalism am 16. Juni 2019 erschienen ist (Red.)
Interview mit Kohei Saito*; aus Climate & Capitalism
Du schreibst in der Einleitung zu deinem Buch, «Natur gegen Kapital. Marx‘ Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus», dass Umweltschützer*innen – und sogar viele Marxist*innen – viele Jahre lang glaubten, dass Marx der Umweltzerstörung und den kapitalistischen Technologien unkritisch gegenüberstand. Woher kam diese Idee, und warum hatte sie bis vor kurzem Bestand?
Ein offensichtlicher Grund ist, dass Marx Das Kapital nie beendet hat. Marx studierte in seinen späten Jahren eifrig Naturwissenschaften, aber er konnte seine neuen Erkenntnisse nicht vollständig ins Kapital integrieren. Obwohl er plante, im dritten Band auf ökologische Fragen einzugehen und insbesondere eine Umarbeitung der Theorie der Grundrente vornehmen wollte, schaffte er es nie sehr weit. Selbst der zweite Band des Kapitals wurde zu seinen Lebzeiten nie veröffentlicht. Stattdessen hinterliess Marx nur eine Reihe von Notizbüchern über Naturwissenschaften. Leider hat sich niemand wirklich um sie gekümmert – und auch heute lesen sie nicht viele Menschen. Lange Zeit blieben sie auch unveröffentlicht obwohl sie jetzt in der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) enthalten sein werden.
Woher kommt diese Vernachlässigung? Ich denke, dass der sogenannte traditionelle Marxismus das materialistische Projekt von Marx als ein geschlossenes dialektisches System behandelt hat, das alles im Universum erklärt, einschliesslich der menschlichen Geschichte und der Natur. In diesem Sinne achteten die Marxisten nicht genügend auf seine Manuskripte und noch weniger auf seine Notizbücher, die den unvollständigen Charakter von Marx‘ Kapital dokumentieren.
Natürlich gab es Marxist*innen, die diese allmächtige Lesart, die du hier beschreibst, ablehnten. Sie sind heute unter dem Banner des «westlichen Marxismus» bekannt. Als sie jedoch den traditionellen Marxismus ablehnten, kritisierten sie auch Engels als fehlgeleiteter Begründer des traditionellen Marxismus und warfen ihm vor, Marx‘ dialektische Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft zu Unrecht auf das System des Universums auszuweiten. Als die westlichen Marxisten Engels und seine Dialektik der Natur ablehnten, schlossen sie daher auch den Bereich der Natur und der Naturwissenschaften aus ihrer Analyse aus. Folglich wurde Marx‘ ernsthafte Beschäftigung mit den Naturwissenschaften sowohl von traditionellen als auch von westlichen Marxisten ignoriert.
Aber heute glaubt niemand mehr an diese allumfassende Macht der marxschen Theorie, und die MEGA macht Marx‘ Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften deutlich sichtbar. Daher müssen wir einen alternativen Ansatz für die Texte von Marx finden, und es ist eine Chance, die Offenheit des Projekts von Marx mit neuen Materialien produktiv zu nutzen. Mit anderen Worten: Wenn wir uns seine Wirtschaftsmanuskripte sowie sein Notizbuch über Naturwissenschaften ansehen, können wir von Marx lernen, wie wir die ökologische Kritik am Kapitalismus im 21. Jahrhundert entwickeln können. Dies ist eine dringende praktische und theoretische Aufgabe für die heutige Linke, denn die Menschen stehen nun vor einer schweren globalen ökologischen Krise im Kontext des neoliberalen Kapitalismus.
Dein Buch ist Marx‘ ökologischer Kritik des Kapitalismus gewidmet und setzt die Arbeit von Ökosozialisten wie Paul Burkett und John Bellamy Foster fort. Warum glaubst du, dass heute die ökologische Analyse von Marx für die Linke und für Umweltschützer so wichtig ist?
Ja, mein Ansatz ist eine klare Fortsetzung der Theorie des «metabolischen Bruchs» [Bruch im Stoffwechsel der Natur] von Foster und Burkett. Eines der Ziele des Buches ist es, das Konzept des metabolischen Bruchs gegen die jüngste Kritik von Jason W. Moore[1] zu verteidigen. Es wird heute sehr deutlich, dass Massenproduktion und Konsum unter dem Kapitalismus einen enormen Einfluss auf die globale Landschaft haben und ökologische Krisen verursachen. Die marxistische Theorie muss auf diese Situation reagieren, indem sie praktische Forderungen aufstellt, um eine nachhaltige Gesellschaft jenseits des Kapitalismus zu entwerfen. Der Kapitalismus ist nicht vereinbar mit den materiellen Bedingungen für eine nachhaltige Produktion. Dies ist die grundlegende Erkenntnis des Ökosozialismus.
Ich denke, Naomi Kleins Kapitalismus vs. Klima hat eine sehr überzeugende und konkrete Analyse geliefert. Sie zeigt, wie die Erneuerung der marxistischen Idee eines Bruchs im Stoffwechsel der Erde neue Impulse für ein ökosozialistisches Projekt im 21. Jahrhundert geben kann. Sie zeigt, dass solche radikalen Bewegungen bereits existieren und dass es wert ist, für deren Anliegen zu kämpfen. Sie zeigt, dass es notwendig ist, in den Industrieländern ab sofort die CO2-Emissionen markant zu reduzieren, wenn der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 auf 2 °C begrenzt werden soll. Aber die kapitalistische globale Elite und die Unternehmen können diese Forderung nicht akzeptieren, weil sie wissen, dass ein solches Projekt mit den notwendigen Bedingungen der Kapitalakkumulation unvereinbar ist.
Aus diesem Grund reicht das Pariser Abkommen nicht aus, um die geforderte Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen. Aber Trump kann nicht einmal dieses Ziel akzeptieren. In den letzten Jahrzehnten haben wir allzu oft erlebt, wie die globalen Eliten unfähig sind, ernsthafte Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Wir sollten erkennen, dass das Problem nicht nur der Neoliberalismus, sondern der Kapitalismus als solcher ist. Deshalb setzt sich Klein auch jetzt klar für den Ökosozialismus ein. Sie schreibt: „Eine neue Form des demokratischen Ökosozialismus, der die Lehren von Indigenen über die Verpflichtungen gegenüber künftigen Generationen und der Verbundenheit des Lebens integriert, scheint die beste Chance der Menschheit auf ein gemeinsames Überleben zu sein“. Der Antagonismus zwischen Rot und Grün muss aufgelöst werden.
Marx analysierte kritisch die zerstörerische Kraft des Kapitals.
Die erste Hälfte deines Buches konzentriert sich auf Marx‘ Vorstellung von einem Stoffwechsel (Metabolismus) zwischen Mensch und Natur. Kannst du uns sagen, wie Ökosozialisten*innen die Theorie des metabolischen Bruchs auf die verschiedenen ökologischen Krisen anwenden, die wir derzeit erleben? Inwiefern unterscheidet sich Marx‘ Theorie von anderen Formen der ökologischen Theorie?
Marx analysierte kritisch die zerstörerische Kraft des Kapitals und argumentierte, dass Störungen des universellen Stoffwechsels der Natur zwangsläufig die materiellen Bedingungen für eine freie und nachhaltige menschliche Entwicklung untergraben. Der Raubcharakter, der der kapitalistischen Entwicklung der Produktivkräfte innewohnt, bringt nicht den Fortschritt, den es für eine zukünftige Gesellschaft braucht.
Marx versuchte zu analysieren, wie die Logik des Kapitals vom ewigen Naturkreislauf abweicht und schliesslich verschiedene Disharmonien in der metabolischen Interaktion zwischen Mensch und Natur verursacht. Er analysierte diesen Aspekt mit Bezug auf Justus von Liebigs[2] Kritik an der modernen ausbeuterischen Landwirtschaft – der sogenannte «Raubbau». Dieser entnimmt dem Boden so viel Nahrung wie möglich, ohne sie zurückzugeben. Der Raubbau wird von der Gewinnmaximierung angetrieben, die einfach nicht mit den materiellen Bedingungen des Bodens für eine nachhaltige Produktion vereinbar ist. So entsteht eine grosse Kluft zwischen der Logik der Aufwertung des Kapitals und dem Stoffwechsel der Natur, der in der menschlichen Interaktion mit der Umwelt Brüche im natürlichen Stoffwechsel erzeugt.
Obwohl Marx im Kapital hauptsächlich das Problem des Bruchs im Stoffwechsel in Bezug auf die Erschöpfung des Bodens diskutiert, ist es nicht nötig, die Analyse darauf zu beschränken. Tatsächlich hat Marx selbst auch versucht, dieses theoretische Konzept in seinen späten Jahren auf verschiedene Themen wie Entwaldung und Viehzucht anzuwenden. Daher würde Marx sich freuen, dass es heute verschiedene Versuche gibt, diesen theoretischen Rahmen als Instrument zur Analyse der aktuellen Umweltkrise anzuwenden. Um nur einige Beispiele zu nennen: Longo arbeitete zur Meeresökologie, Ryan Gunderson zur Agrarwirtschaft und Del Weston zum Klimawandel. Dies sind ausgezeichnete Beispiele für die ökosozialistische Anwendung von Marx‘ Theorie des Bruchs im natürlichen Stoffwechsel.
Ein offensichtlicher Unterschied zwischen dem ökosozialistischen Ansatz und anderen Strängen der Ökotheorie ist die Erkenntnis, dass es im kapitalistischen System eine unvermeidliche Tendenz zur Verschlechterung der materiellen Produktionsbedingungen gibt. Mit anderen Worten, der Markt kann schlecht als Vermittler für eine nachhaltige Produktion fungieren. Dies steht im Gegensatz zum hartnäckigen liberalen Glauben, dass grüner Kapitalismus in naher Zukunft irgendwie möglich ist. Die Zeit, die uns bleibt, ist sehr kurz.
Unter diesen Bedingungen funktioniert die Hoffnung der Liberalen, dass der CO2-Handel oder andere Markttransaktionen den Klimawandel lösen können, nur als ideologisches Instrument, um uns davon abzulenken, uns der realen Gefahr und Bedrohung zu stellen. Als ob der Markt das Problem automatisch lösen könnte, ohne unser bewusstes Engagement, die bestehende Produktionsweise radikal zu ändern. Die Liberalen sind in diesem Sinne sehr gefährlich.
Der zweite Teil deines Buches konzentriert sich auf Marx‘ Ansichten über eine mögliche „rationale Landwirtschaft“ im Kapitalismus. Du zeigst, wie sich diese Sichtweise im Laufe seiner Forschungen Zeit änderte. Ist Marx zu dem Schluss gekommen, dass die durch den Kapitalismus verursachte ökologische Zerstörung nicht innerhalb des Kapitalismus gelöst werden kann?
Der junge Marx war noch recht optimistisch, was die kapitalistische Entwicklung von Technologien und Naturwissenschaften angeht. So dachte er, dass diese Entwicklung die Voraussetzungen für eine nachhaltige Landwirtschaft im Sozialismus schaffen würde. Während er jedoch das Kapital schrieb, begann er zu betonen, dass das Hauptziel der kapitalistischen Produktion nicht die nachhaltige Produktion, sondern die Verwertung des Kapitals ist. Marx erkannte, dass es letztlich keine Rolle spielt, wenn ein grosser Teil des Planeten unbewohnbar wird. Einzig die Kapitalakkumulation muss noch möglich sein.
Dementsprechend erkannte Marx, dass die technologische Entwicklung als „Produktivkraft des Kapitals“ organisiert ist. Dies führt zur vollständigen Entwicklung der negativen Aspekte von Technologien, so dass sie nicht als materielle Grundlage für die sozialistische Gesellschaft dienen können.
Das Problem ist darin zu erkennen, dass das Kapital auch von Umweltkatastrophen profitieren kann. Diese Tendenz ist deutlich sichtbar in dem, was der neoliberale „Katastrophen-Kapitalismus“ in den letzten Jahrzehnten getan hat, und wie es Naomi Klein im Detail dokumentiert. Wenn dies der Fall ist, dann ist es falsch anzunehmen, dass das Ende der «billigen Natur» der Kapitalakkumulation eine grosse Schwierigkeit bereiten würde, wie James O’Connor mit seiner Theorie des „zweiten Widerspruchs des Kapitals“[3] andeutete.
Folglich kann das Kapital tatsächlich weiterhin mehr von der aktuellen ökologischen Krise profitieren, indem es neue Geschäftsmöglichkeiten wie Geo-Engineering, gentechnisch modifizierte Organismen, CO2-Handel und Versicherungen für Naturkatastrophen erfindet. So führen natürliche Grenzen nicht zum Zusammenbruch des kapitalistischen Systems. Es kann sogar über diese Grenzen hinausgehen. Das aktuelle Niveau der Zivilisation hingegen kann nicht über eine bestimmte Grenze hinaus existieren. Deshalb erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der globalen Erwärmung gleichzeitig einen bewussten Kampf gegen den Kapitalismus.
Du weist darauf hin, dass Marx gegen Ende seines Lebens auf die Gefahr des Klimawandels als Folge des irrationalen Umgangs der Gesellschaft mit der Natur aufmerksam wurde – eine unglaubliche Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass er vor anderthalb Jahrhunderten schrieb. Wie hat Marx den Klimawandel verstanden?
Foster argumentiert, dass Marx vielleicht an John Tyndalls[4] Vortrag über den Treibhauseffekt teilgenommen haben könnte, sodass er von der Ursache der heutigen globalen Erwärmung hätte wissen könne. Mein Argument ist etwas anders, da es keine direkten Beweise dafür gibt, dass Marx mit diesem Thema vertraut war. Vielmehr habe ich mir sein Notizbuch über Carl Fraas‘ Buch Klima und Pflanzenwelt in der Zeit angesehen, das Marx Anfang 1868 gelesen hat. Das Buch behandelt den Klimawandel, der nicht durch Treibhausgasemissionen, sondern durch übermässige Entwaldung verursacht wird, die die lokale Luftzirkulation und Niederschläge verändert. Fraas‘ Analyse erweiterte Marx‘ Interesse am Raubbaucharakter der kapitalistischen Produktion über die Bodenerschöpfung hinaus, und in gewisser Weise schätzte er Fraas‘ Theorie noch mehr als jene Liebigs.
Es ist heute unsere Aufgabe, die Ökologie von Marx an das 21. Jahrhundert anzupassen und zu aktualisieren.
Auch wenn Marx die genauen Ursachen der heutigen globalen Erwärmung nicht genau kannte, ist es kein grosses Defizit, weil Marx nicht behauptete, alles erklärt zu haben. Bis zum letzten Moment seines Lebens war er sehr daran interessiert, neue Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften in seine Analyse der metabolischen Brüche zu integrieren. Er konnte dieses Ziel nicht vollständig erreichen, und das Kapital blieb unvollendet. Aber seine Kritik an der politischen Ökonomie ist elastisch genug, um die wissenschaftlichen Fortschritte zu integrieren.
Da seine Kritik des metabolischen Risses eine methodische Grundlage für eine kritische Analyse der aktuellen globalen ökologischen Krise darstellt, ist es heute unsere Aufgabe, die Ökologie von Marx an das 21. Jahrhundert anzupassen und zu aktualisieren, indem wir eine synthetische Analyse der politischen Ökonomie und der Naturwissenschaften als radikale Kritik des Kapitalismus entwickeln. Das ist genau das, was Leute wie Brett Clark und Richard York sowie andere bereits erwähnte Personen vorantreiben.
Am Beispiel der Erschöpfung des irischen Bodens durch den britischen Kolonialismus zeigte Marx, wie die globale Expansion des Kapitals direkt mit der ökologischen Krise in den Kolonialländern zusammenhängt. Welche Lehren können wir aus diesem Beispiel ziehen, und was sagt es uns über die Überwindung der weltweiten ökologischen Krisen, die heute weitaus größer sind?
In der Schlüsselpassage zum Konzept des metabolischen Bruchs schrieb Marx, dass die kapitalistische Produktionsweise «dadurch Bedingungen erzeugt, die einen unheilbaren Riss hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschrieben Stoffwechsels, infolge dessen die Bodenkraft verschleudert und diese Verschleuderung durch den Handel weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird. (Liebig.)»[5] Mit einer Ausweitung der kapitalistischen Akkumulation wird der metabolische Riss zu einem globalen Problem.
Marx‘ Theorie erweist sich als richtig. Denn genau das ist es, was wir heute erleben, insbesondere in Bezug auf den Klimawandel. Wie ich bereits sagte, wird der Klimawandel die Herrschaft des Kapitals nicht beenden. Auf jeden Fall ist der Kapitalismus viel flexibler, so dass er wahrscheinlich überleben und weiterhin Kapital akkumulieren wird, auch wenn sich die ökologische Krise verschärft und den gesamten Planeten zerstört.
Reiche Menschen würden wahrscheinlich überleben, während die Armen viel anfälliger für den Klimawandel sind, obwohl sie für die Krise viel weniger verantwortlich sind als die Reichen. Die Armen verfügen nicht über wirksame technologische und finanzielle Mittel, um sich vor den katastrophalen Folgen des kommenden Klimawandels zu schützen. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist eindeutig Bestandteil des Klassenkampfes, wie es im britischen Kolonialismus in Irland und Indien der Fall war.
Während der Klimawandel alles in unserem Leben verändern könnte, wird das Aufhalten des Klimawandels den Kapitalismus verändern. Deshalb versteht der Ökosozialismus die ökologischen Krisen und Brüche im Stoffwechsel als zentraler Widerspruch des Kapitalismus. Marx war einer der ersten Ökosozialisten, da er diesen Punkt erkannte, als er in Carl Fraas‘ Warnung vor übermässiger Entwaldung und Klimawandel eine „sozialistische Tendenz“ fand. Die Überwindung der Entfremdung von der Natur ist daher eine zentrale Aufgabe für Rot und Grün, die sich nur jenseits des Kapitalismus und nicht innerhalb eines „grünen Kapitalismus“ realisieren lässt.
* Kohei Saito Kohei Saito arbeitet an der Universität von Osaka. Er ist Herausgeber der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA).
Übersetzung durch die Redaktion.
[1] Umwelthistoriker. Mit einer eigenständigen Marxlektüre versucht er die These zu entwickeln, dass der Kapitalismus von der Aneignung von verschieden «billigen Dingen» wie Arbeitskraft, Ressourcen, Energie oder Nahrungsmittel abhängig ist. Er kritisierte die dialektische Verbindung von Mensch und Natur in den Theorien der Ökomarxist*innen und vertritt anstelle dessen eine «monistische» Sichtweise. Dies hat ihm zahlreiche Kritiken eingebracht [Anm. d. Red.].
[2] Justus von Liebig (1803-1873) war der Begründer der Agrarchemie. Er entdeckte, dass Pflanzen Nährstoffe in Form von Salzen aufnehmen. [Anm. d. Red.]
[3] Bei der Entwicklung dieser Theorie war der Soziologe James O’Connor federführend. Die Theorie geht davon aus, dass der Kapitalismus nicht nur ökonomische Krisen produziert, so wie es zahlreiche Marxist*innen analysiert haben. Zusätzlich – das ist der «zweite» Widerspruch – produziere der Kapitalismus auch ökologische Krisen, die das Fundament seiner eigenen Entwicklung untergraben werden. Eine zweite Generation von ökologischen Marxist*innen um John Bellamy Foster haben sich von dieser Ansicht distanziert, da sie fälschlicherweise den Zusammenbruch des Kapitalismus aufgrund der ökologischen Zerstörung voraussagte. [Anm. d. Red.]
[4] Irischer Physiker, der 1859 den Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxid und dem «Treibhauseffekt» beweisen konnte. [Anm. d. Red]
[5] Karl Marx: Das Kapital, Band 3, S. 821. [Anm. d. Red.]