Die Entstehung und Verbreitung des Coronavirus sind eng mit der kapitalistischen Entwicklung und mit dem durch das Kapital geprägten gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur verknüpft. Die Entwicklung zur Pandemie und die Unfähigkeit der Regierungen sind Ausdruck des Akkumulationszwangs des Kapitals sowie der Konkurenz zwischen den Unternehmen sowie der Rivalität zwischen den Staaten. Die Logik des Kapitals verhindert auch eine effektive Bekämpfung der Pandemie. Wir übernehmen hier aus der Zeitschrift Marx 21 von linkswende.org eine ausführliche Analyse von Joseph Choonora, die uns zum Nachdenken über die Tiefe der Gesundheitskrise anregt. Der englische Originalbeitrag erschien in der Zeitschrift International Socialism.
Joseph Choonara, 10. April 2020
aus Marx 21
Es ist verlockend, Pandemien als unvorhersehbare, unheilvolle Eingriffe der Natur in die menschliche Gesellschaft zu betrachten. [1] Der Ausbruch der Coronavirus-Erkrankung (Coronavirus Disease 2019, kurz COVID-19) ist allerdings alles andere als ein »Naturereignis«. Epidemien und Pandemien ereignen sich in einem sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmen, der mit Prozessen wie der Mutation von Viren, ihrer Übertragung von einem Wirt auf den nächsten und ihrer Wirkung auf Lebewesen verwoben ist. Die Natur der COVID-19-Pandemie kann demnach nicht ohne die derzeitige Struktur des Kapitalismus verstanden werden. Eine Pandemie von dieser Größenordnung kann insbesondere die bereits existierenden Brüche des Kapitalismus verstärken. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Verteidigung der Profite oder die Rettung von Leben. Bis jetzt deutet alles darauf hin, dass diejenigen, die den Vorsitz über das System innehaben, ersterem die oberste Priorität einräumen. Dieser Artikel untersucht, wie Pandemien mit der Logik des Kapitals verstrickt sind, und bietet einige Antworten für die Linke.
COVID-19
COVID-19 wird durch ein neuartiges Virus namens »Schweres akutes Atemwegssyndrom Coronavirus 2« (Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2, kurz SARS-CoV-2) verursacht. Coronaviren wurden in den 1960er-Jahren entdeckt und können eine Reihe von Erkrankungen auslösen.[2] Einige sind leicht: Coronaviren sind einige von hunderten Erregern für eine gewöhnliche Erkältung. Andere sind lebensbedrohlicher: das Auftauchen des »Mittlerer-Osten-Atemwegssyndrom Coronavirus« (Middle East Respiratory Syndrome coronavirus, MERS-CoV) im Jahr 2012 endete für ein Drittel der 2.040 im Labor bestätigten Fälle tödlich.[3] COVID-19 verursacht, neben anderen Symptomen, Fieber und trockenen Husten. Sie kann zu einer Lungenentzündung führen, die insbesondere bei Älteren oder Menschen mit Vorerkrankungen zum Tod führen kann. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels wird die Mortalitätsrate (Zahl der Todesfälle pro bestätigter Fälle) auf 3-4 Prozent geschätzt, gegenüber 0,1 Prozent bei Ausbrüchen der saisonalen Grippe.[4] Das Coronavirus verbreitet sich über Tröpfchen von einer infizierten Person in der Luft, zum Beispiel durch Husten, oder durch direkten Kontakt mit kontaminierten Oberflächen.
Auf molekularer Ebene bestehen Coronaviren aus einer einzelsträngigen RNA, was bedeutet, dass sie schnell mutieren: »Das Erbgut der menschlichen Spezies benötigte acht Millionen Jahre um sich um 1 Prozent weiter zu entwickeln. Viele tierische RNA-Viren entwickeln sich binnen weniger Tage um 1 Prozent weiter.«[5] Wie viele andere Viren lauern Coronaviren in tierischen Reservoiren. Die meisten Virenepidemien und –pandemien treten dann auf, wenn neue Viren von anderen Tierarten auf Menschen wechseln, ein Prozess, der als Zoonose bezeichnet wird, und über Mutationen die Fähigkeit zur Übertragung von Mensch zu Mensch erlangen. Wenn eine neue, mutierte Form eines Virus diesen Sprung macht, trifft es auf eine Bevölkerung, die gegen den Erreger keine Immunität besitzt, mit möglicherweise verheerenden Folgen.
Ein gutes Beispiel ist die Influenza (»echte« Grippe). Die Influenza ist wie Coronaviren ein einzelsträngiges RNA-Virus. Wasservögel wie Enten und Gänse dienen als Reservoir. Die Influenza ist unter diesen Vogelpopulationen weit verbreitet, verursacht aber in diesen Wirtstieren nur leichte Symptome – vor allem Verdauungsstörungen, die zur Verbreitung des Virus über die Ausscheidung führen.[6] Wenn das Virus den Menschen erreicht, löst es eine Atemwegsinfektion aus. Die Influenza kann derart mutieren, dass sie spontan die Barriere zwischen Tier und Mensch überspringen kann, allerdings kommt das eher selten vor. Meist benötigt es einen Zwischenwirt. Schweine sind für solche Brücken besonders gut geeignet, weil ihre Zellen von Grippestämmen sowohl von Vögeln als auch von Menschen infiziert werden und zu neuen Mischformen führen können.[7] Die saisonale Grippe tötet üblicherweise weltweit jedes Jahr zwischen einer halben und einer Million Menschen.[8] Eine Influenzapandemie hingegen kann ganze Gesundheitssysteme überfordern.
Auch einige Coronaviren existieren in Vogelpopulationen, aber der wichtigste Wirt für jene Coronaviren, die auf den Menschen übertragen werden können, dürften Fledermäuse sein.[9] Auch hier spielen andere Spezies wie Schweine, Larvenroller oder Kamele oft eine Vermittlerrolle bei der Coronavirenübertragung von Fledermäusen auf den Menschen.[10] Die Zoonose ist daher eine wesentliche Dimension bei der Verbreitung von Coronaviren.
Eine kurze Geschichte der Pandemien
Erste menschliche Gesellschaften setzten sich aus kleinen Verbänden von Jägern und Sammlern zusammen. Gelegentlich waren sie infektiösen Krankheiten durch andere Tiere oder die Umwelt ausgesetzt. Diese kleinen Menschengruppen konnten der Krankheit erliegen oder eine Immunität entwickeln; in jedem Fall gab es nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Infektion weit über die ursprüngliche Gruppe hinaus verbreitete. Das veränderte sich mit der Neolithischen Revolution, die vor rund 10.000 Jahren im Mittleren Osten begann und zu sesshaften Agrargesellschaften führte. Die Bevölkerungen wuchsen, menschliche Abfälle konnten sich in Siedlungen anhäufen und in manchen Fällen domestizierten Menschen Nutztiere und lebten damit für längere Zeit in unmittelbarer Nähe von Tieren. Sie schufen weitaus bessere Bedingungen für die Verbreitung von Viren und anderen Erregern – wie auch zunehmender Handel, Kriege und Migration zwischen Bevölkerungen .[11]
Im Laufe der Zeit führte die gleichzeitige Aussetzung gegenüber einer Reihe von Krankheiten zu »unstabilen Anpassungsverhältnissen« und schuf, wie William McNeill es nennt, Sammelbecken von »Zivilisationskrankheiten«, die große Regionen wie die am Mittelmeer oder auf dem indischen Subkontinent umfassen.[12] Neue Krankheiten konnten allerdings plötzlich durch die Erschließung neuer Handelswege, Krieg oder Eroberung in diese Sammelbecken eingeschleppt werden. Beispielsweise verbreiteten im Jahr 165 unserer Zeitrechnung Truppen, die auf einem Feldzug in Mesopotamien waren, im Römischen Reich eine »Plage« (möglicherweise Pocken) – es kam zu einer 15 Jahre andauernden Epidemie, die an manchen Orten ein Drittel der Bevölkerung getötet haben dürfte.[13] Die Beulenpest, eine von Flöhen übertragene bakterielle Infektion, verbreitete sich über Hausratten auf Handelsschiffen, erreichte im Jahr 541 das Mittelmeer, kehrte mit Unterbrechungen bis etwa 767 wieder und dezimierte die Bevölkerung nach einigen Schätzungen um mehrere zehn Millionen.[14] McNeill vermutet, dass die Erschließung von Handelsrouten durch das Mongolenreich ab dem 13. Jahrhundert, das ein riesiges Kommunikationsnetz quer durch Eurasien schuf, die Beulenpest auf die Nagetiere der Steppe übertrug. Von dort aus verbreitete sie sich über Karawanenstraßen, erreichte im Jahr 1346 die Krim und führte zu dem, was in Europa als Schwarzer Tod bekannt wurde.[15] Die sich inzwischen durch Nordeuropa erstreckenden Handelsnetze und Schifffahrtswege verbreiteten Hausratten und die Pest über den Kontinent. In der Folge starben während der Jahre 1346-50 ein Drittel der europäischen Bevölkerung.[16] Eine höhere Bevölkerungsdichte und mit Müll übersäte, rattenverseuchte Straßen in den Siedlungsgebieten trugen dazu bei, dass sich die Krankheit schnell ausbreitete. Bis in die 1670er-Jahre brach die Beulenpest in Europa regelmäßig aus.
Noch verheerender als die Auswirkungen des Schwarzen Todes in Europa war die Verbreitung von Krankheiten aus der »Alten Welt« auf dem amerikanischen Kontinent während seiner Kolonialisierung. Die »Neue Welt« war besonders anfällig. Obwohl sie in manchen Gegenden dicht besiedelt war, fehlte ihr die ökologische Artenvielfalt der zusammenhängenden Landmassen Eurasiens und Afrikas mit ihrer langen Geschichte von Epidemien. Darüber hinaus spielten domestizierte Tiere eine geringere Rolle in der Nahrungsmittelproduktion.[17] Die Pocken, zusammen mit Mumps und Masern, verschmolzen mit dem brutalen Aufbau der Kolonialherrschaft. Die darauf folgenden Epidemien löschten in dem halben Jahrhundert nach 1568 rund 90 Prozent der Bevölkerung Zentral-Mexikos aus.[18] Die Auswirkungen waren anderswo auf dem Kontinent ähnlich. Die indigene Bevölkerung Perus ist von etwa sieben Millionen auf etwa eine halbe Million zurückgegangen.[19] Ein fahles Echo dieser Verwüstung sollte zurückschallen und die »alte Welt« heimsuchen. Wahrscheinlich infolge der Epidemie in Amerika fand im 17. Jahrhundert ein tödlicherer Pockenstamm seinen Weg zurück nach Europa – und führte zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu 400.000 Toten pro Jahr.[20]
Zu dieser Zeit erlebte Europa selbst einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Mit der Entwicklung des industriellen Kapitalismus, der in Großbritannien ab dem 18. Jahrhundert einsetzte, beschleunigte sich die Verstädterung. Dies schuf elende Bedingungen in den neuen Städten, in denen viele Menschen in Slums unter miserablen Hygienebedingungen zusammengepfercht waren. Armut, Stress und Überbevölkerung erhöhten die Anfälligkeit für Krankheiten und sorgten dafür, dass sich einmal eingeschleppte Krankheiten schnell ausbreiten konnten. Darüber hinaus konnten Krankheiten, sobald sie in einer Stadt auftraten, durch immer größere Handelsnetze, Bewegung von Menschen zur Arbeit, zur Kriegsführung oder Verwaltung von Kolonien oder um Krieg, Armut oder Unterdrückung zu entkommen, weitergegeben werden.[21] In dieser Zeit, während des ganzen 19. Jahrhundert – als sich die Ernährung, Kanalisation, Hygiene und öffentliche Gesundheitsversorgung zu verbessern begannen – starben die Menschen in britischen Städten eher früher als auf dem Land. Besonders London war ein »Menschenfresser«, mit mehr Beerdigungen als Taufen während nahezu des ganzen 18. Jahrhunderts, »hauptsächlich eine Folge von ‚Volkskrankheiten‘ wie Pocken, Masern und Tuberkulose«.[22]
Im Fall der Pocken wurde das Virus nicht durch Zoonose wie bei der Influenza oder Coronaviren übertragen – der Mensch selbst war der Reservoirwirt. Nachdem es einmal über ein Gebiet gefegt war, benötigte das Virus eine Bevölkerung von etwa 100.000 Menschen, um sicherzustellen, dass jedes Jahr genügend anfällige Menschen geboren werden, um zu überleben.[23] Mitte des 17. Jahrhunderts war London bereits dreimal so groß; 1801 näherten sich Manchester, Liverpool und Birmingham jeweils 100.000 Menschen an. Die Tuberkulose, die im Allgemeinen die Lunge befällt, wurde nicht durch einen Virus, sondern durch Bakterien verbreitet, aber hier ist die Zoonose wichtig. Die Krankheit infiziert den Menschen durch infizierte Milch, geht dann durch Husten und Spucken von Mensch zu Mensch über. Die Hinweise auf Fälle reichen Jahrtausende zurück, wahrscheinlich bis zur Domestizierung von Rindern. In den Industriestädten wurde sie jedoch zu einer der häufigsten Todesursachen – bis 1780 war sie wahrscheinlich für ein Fünftel der Todesfälle in England und Wales verantwortlich.[24] Von hier aus folgte die Ausbreitung der Krankheit dem Muster der frühen Industrialisierung – zuerst nach Westeuropa, dann Osteuropa und Nordamerika, wo in den Jahren 1812-21 etwa ein Viertel der Todesfälle in New York auf »Schwindsucht«, wie die Krankheit genannt wurde, zurückgeführt wurde. Die Ausbreitung spiegelte nicht nur die Entstehung dicht besiedelter Ballungsräume wider, sondern auch die Anwesenheit von »Stadtmolkereien«, die es der Krankheit ermöglichten, zwischen Kühen und von Kühen auf den Menschen überzugehen.[25]
Im 19. Jahrhundert verdichteten sich Verstädterung, Armut und Kolonialismus zu neuen Bedrohungen. Die Cholera war in Indien seit Jahrhunderten weit verbreitet. Mit der Integration in das Britische Weltreich und dem damit verbundenen Personen- und Warenverkehr breitete sich die Cholera aus. Im Jahr 1817 erfasste eine Epidemie von Indien ausgehend Russland und China. Drei Jahre später brachten britische Truppen die Krankheit in den östlichen Mittelmeerraum. In den Jahren 1832, 1848 und 1866 strahlten dann echte Pandemien von Indien aus, die sich in Europa und Amerika ausbreiteten. Wie George Dehner schreibt: »Es war charakteristisch für das Übertragungsmuster der Krankheit, dass sie zuerst in Städten auftrat, in der Regel in Hafenstädten, die mit dem Handel verbunden sind. Ausbrüche konnten zunächst an die Wasserwege gebunden sein, die eine Region verbanden, und in späteren Jahren an die sich ausdehnenden Eisenbahnsysteme, die die Staaten durchquerten.«[26] Nahezu die Hälfte der Infizierten starb. Die Krankheit trat besonders in ärmeren Gegenden auf, weil die Bakterien, die die Krankheit verursachten, sich durch verunreinigtes Wasser ausbreiteten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es üblich, dass Abwasser, das am Land wahrscheinlich auf den Feldern verwendet oder von den Häusern weggekippt worden wäre, einfach auf die Straßen geschüttet wurde, und die Abwässer damit in Flüsse und Seen flossen, aus denen Trinkwasser geschöpft wurde.
Die Zustände, die im Manchester des 19. Jahrhunderts zur Verbreitung der Cholera führten, hat der junge Friedrich Engels ausführlich beschrieben: »Als nämlich diese Epidemie herannahte, befiel ein allgemeiner Schrecken die Bourgeoisie dieser Stadt; man erinnerte sich auf einmal der ungesunden Wohnungen der Armut und zitterte bei der Gewissheit, dass jedes dieser schlechten Viertel ein Zentrum für die Seuche bilden würde, von wo aus sie ihre Verwüstungen nach allen Richtungen in die Wohnsitze der besitzenden Klasse ausbreite.« Von 6.951 inspizierten Häusern in Manchester, so Engels weiter, hätten »2.565 dringend einen inneren Kalkanstrich nötig, an 960 waren notwendige Reparaturen vernachlässigt […], 939 waren ohne hinreichende Abflüsse, 1.435 waren feucht, 452 schlecht ventiliert, 2.221 ohne Abtritte (Toiletten, Anm.)«.[27] Jahre später griff er in seinen Artikeln »Zur Wohnungsfrage« das Thema wieder auf: »Die moderne Naturwissenschaft hat nachgewiesen, dass die sogenannten ‚schlechten Viertel‘, in denen die Arbeiter zusammengedrängt sind, die Brutstätten aller jener Seuchen bilden, die von Zeit zu Zeit unsere Städte heimsuchen. Cholera, Typhus und typhoide Fieber, Blattern und andere verheerende Krankheiten […]. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung [erzeugt] die Missstände, um deren Kur es sich handelt, immer wieder.«[28]
In vielen Ländern gehören solche Zustände nicht der Vergangenheit an. Jemen zum Beispiel, wo Krieg und Hungersnot wüten, erlebte kürzlich eine Cholera-Epidemie.[29] Generell hat die beschleunigte Urbanisierung mit der damit einhergehenden Bildung von Slums die Zustände, die zu diesen frühen industriellen Pandemien führten, verallgemeinert. In der modernen Welt hat sich ein tödlicher Sturm von Infektionskrankheiten, chronischen Krankheiten und Unterernährung in Verbindung mit Einsparungen im öffentlichen Gesundheitswesen und unzureichenden sanitären Einrichtungen gebildet.[30]
Während einige der Bedingungen, die zu Massenerkrankungen führten, in den am weitest entwickelten Ländern am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verbessert wurden, rückte eine neue Gefahr, die pandemische Grippe, ins Blickfeld. Grippeepidemien waren nicht unbekannt. Bei einem europäischen Ausbruch in den 1550er-Jahren dürfte jeder fünfte Einwohner Englands getötet worden sein, ehe sie wiederum in Amerika verheerenden Schaden anrichtete.[31] Nun kehrte die Bedrohung mit großer Wucht zurück. Das Vorspiel war der Ausbruch der »Russischen Grippe« von 1889, der in Buchara, dem heutigen Usbekistan, begann, sich im Herbst zunächst in St. Petersburg und innerhalb von acht Wochen in ganz Europa ausbreitete und Nordamerika und das südliche Afrika erreichte. Im Laufe der folgenden Monate drang sie bis nach Südamerika, dann nach Indien und schließlich nach Australien und Neuseeland vor. »Eine sehr konservative Schätzung der Sterblichkeit in der ersten Welle (1889-1890) ging in Europa zwischen 270.000 und 360.000 Todesfällen aus.«[32] Dies war lediglich die Generalprobe. Im Frühjahr 1918, als der Erste Weltkrieg tobte, begannen Soldaten an der Grippe zu erkranken. Die Krankheit entwickelte sich bald zu einer Pandemie, doch in der ersten Welle führte sie zu wenigen Opfern und wurde von den Auswirkungen des Krieges überschattet. Aber die zweite Welle dieser »Spanischen Grippe«, die durch einen mutierten Stamm des Virus hervorgerufen wurde, war verheerend.[33] Dehner schreibt:
Im Großen Krieg liefen ungewöhnlich viele Ereignisse zusammen. Viele Millionen Männer und Frauen waren unter unwürdigen Bedingungen zusammengepfercht… Diese Menschenmassen waren mit Transportsystemen verbunden, die in jeden Winkel der Erde reichten. Die gestresste Bevölkerung war ein riesiges Pulverfass für den Ausbruch von Epidemien – insbesondere von Atemwegsepidemien.[34]
Das Virus verbreitete sich mit rasanter Geschwindigkeit und Reichweite. Man schätzt, dass im Laufe der folgenden Monate fast ein Drittel der Menschheit infiziert wurde. Medizinische Einrichtungen, die durch die Kriegsmobilisierung bereits ausgelastet waren, wurden mit Fällen von Lungenentzündungen überrollt. Nach der zweiten Welle folgte 1919 eine dritte, weniger tödliche. Jüngste Schätzungen für die Todesfälle der drei Wellen liegen zwischen 50 und 100 Millionen, ein Mehrfaches der direkt durch den Krieg selbst Getöteten.[35] Aller Wahrscheinlichkeit nach war die hohe Sterblichkeitsrate nicht nur eine Folge der Virulenz des Influenzastammes, sondern auch der Art und Weise, wie er Wege für Bakterien öffnete, die Sekundärinfektionen verursachen und zu Lungenentzündungen führen konnten.[36] Am schlimmsten betroffen waren wiederum die ärmsten Länder, in denen die Sterblichkeitsraten nur selten dokumentiert wurden.[37] Indien dürfte 18,5 Millionen Tote zu beklagen gehabt haben, wobei Hunger, schlechte Wohnverhältnisse, Getreidebeschlagnahmungen durch die Briten, die mit einer das Immunsystem schwächenden Dürre zusammenfielen, und eine unzureichende Gesundheitsversorgung die Auswirkungen der Krankheit noch verstärkten.[38]
Nach mehreren Jahrzehnten, in denen Wissenschaftler_innen versuchten, das Wesen der Grippe und die Ursachen für dieses Gemetzel zu verstehen, wurde 1947 ein globales Influenza-Überwachungsprogramm eingerichtet. Dieses Globale Influenza-Programm wurde später Teil der neu gegründeten Weltgesundheitsorganisation (WHO). Spätere Ausbrüche in den Jahren 1957 (»Asiatische Grippe«) und 1968 (»Hongkong-Grippe«) töteten jeweils etwa zwei Millionen beziehungsweise eine Million Menschen. Darauf folgte zweimal Fehlalarm. Der erste war ein Ausbruch der Schweinegrippe im Jahr 1976, die sich auf einem US-Militärstützpunkt ausbreitete, ehe sie wieder abebbte. Allerdings waren in einem von der Regierung initiiertem Notfallprogramm bereits 43 Millionen Menschen, etwa ein Viertel der US-Bevölkerung, geimpft worden.[39] Der zweite, die »Pseudopandemie« von 1977, verbreitete sich zwar weit, aber ihre Auswirkungen waren eher mild.[40]
Moderne Bedrohungen
Ausbrüche von Virenpandemien sind in der heutigen Welt nach wie vor eine große Bedrohung.[41] Um diese Bedrohung zu verstehen, muss man sich mit der sich verändernden Gesellschaftsstruktur befassen, gestützt auf die Arbeiten von Autoren wie Rob Wallace, die den Zusammenhang zwischen den heutigen Agrarsystemen und der Zoonose nachgezeichnet haben. In seinem bekanntesten Buch, Big Farms Make Big Flu, betont Wallace, dass die große Agrarindustrie potenziell als riesige Petrischale für die Entstehung und Verbreitung neuer Krankheiten fungiert.[42] Monokulturen von in großer Zahl zusammengepferchten domestizierten Tieren bedeuten hohe Übertragungsraten und geschwächte Immunreaktionen. Das Wachstum der Agrarindustrie ist ein weltweites Phänomen, wobei eine »Livestock Revolution« (Revolution der Tierproduktion) den wachsenden Fleischkonsum, der sich auf den Globalen Süden konzentriert, bedient. Wie Mike Davis schreibt:
Als Aushängeschild der industrialisierten Geflügel- und Tierproduktion gilt weltweit das gigantische Unternehmen Tyson Foods […]. Tyson Foods schlachtet 2,2 Milliarden Hühner im Jahr. Es ist auf globaler Ebene zum Inbegriff für intensive, vertikal integrierte Produktion geworden. Es steht für die Ausbeutung von Vertragsbauern, für Gewerkschaftsfeindlichkeit in den Betrieben, für wild wuchernde Verstöße gegen das Arbeitsrecht, für Wasserverschmutzung durch Einleitung von Abwässern in die Flüsse und für politische Korruption. Die globale Dominanz solcher Kolosse wie Tyson haben die einheimischen Bauern dazu gezwungen, sich entweder in den großen Hühner- und Schweinfleischverarbeitungsfirmen zu integrieren – oder einzugehen. […] Überall wurden ganze landwirtschaftliche Gebiete in Lagerhallen für Massentierhaltung verwandelt, in denen die Bauern die Hühner lediglich noch zu beaufsichtigen hatten.[43]
Die Probleme liegen jedoch nicht nur in diesem modernen Viehzuchtkomplex selbst. Wie es ein anonymer Autor in der Zeitschrift Chuang, der sich auf Wallace beruft, ausdrückt:
Hinzu kommen ähnlich intensive Prozesse am Rande der Wirtschaft, wo Menschen, die zu immer extensiveren agrarökonomischen Eingriffen in lokale Ökosysteme gedrängt werden, auf »wilde« Stämme treffen. Epidemien können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden, wobei die erste im Kern der agrarökonomischen Produktion und die zweite im Hinterland entsteht […]. Die grundlegende Logik des Kapitals hilft, zuvor isolierte oder harmlose Virenstämme aufzunehmen und sie in ein extrem wettbewerbsorientiertes Umfeld zu bringen, das die spezifischen Merkmale zur Auslösung von Epidemien begünstigt, wie schnelle Lebenszyklen von Viren, die Fähigkeit zu zoonotischen Sprüngen […] und die Fähigkeit, schnell neue Übertragungsvektoren zu entwickeln.[44]
Mit anderen Worten, es sind nicht nur die Massentierhaltungen, die neue Viren erzeugen, sondern auch die größere Störung von Ökosystemen und die Ausweitung der Warenproduktion. Dies hat zur Folge, dass verschiedene Tierarten zusammengedrängt werden und dass Menschen und andere Tiere in Kontakt kommen, wodurch neue Krankheitserreger in Umlauf gebracht werden. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. In den 1960er-Jahren breitete sich das Bolivianische hämorrhagische Fieber von Nagetieren auf Landarbeiter aus. Der Ausbruch in den Jahren 1963-4 konzentrierte sich auf die Landarbeiter in San Joaquin, die, nachdem die einheimische Familie der Rinderbarone in der Revolution von 1952 enteignet wurde und ihren Betrieb schloss, in dichte Dschungelgebiete drängten, um dort Getreide anzubauen und sich so zu ernähren. Dabei störten sie den natürlichen Lebensraum der Nagetiere, die in die Stadt eindrangen – ein Faktor, der durch den Einsatz von DDT zur Malariabekämpfung verstärkt wurde, was die lokale Katzenpopulation verringerte.[45] Der Bau von Straßen zwang die Nagetiere zu wandern, die Krankheit wurde so weiter im Land verbreitet.[46] Das Nipah-Virus tauchte Ende der 1990er-Jahre in Südostasien aufgrund der Intensivierung der Schweinehaltung und der Infektion der Schweine durch Fledermäuse auf, wahrscheinlich durch Fledermauskot, als der Lebensraum der Fledermäuse durch Dürre und menschliche Abholzung zerstört wurde.[47] Ein besonders wichtiges aktuelles Beispiel ist das Ebola-Virus, das bis zu 90 Prozent der infizierten Menschen töten kann und im Jahr 2013 in Westafrika in epidemischer Form auftrat. Dieses Virus wird auch in der freien Natur von Fledermäusen übertragen. Landraub durch US-amerikanische, europäische und chinesische multinationale Konzerne in der Guinea-Savannen-Zone zwang Fledermauspopulationen, in wachsenden Palmölplantagen Nahrung und Unterschlupf zu suchen, wodurch die Voraussetzungen für eine Zoonose geschaffen wurden.[48]
Diese Tendenzen wurden in den letzten Jahrzehnten durch die unregulierte Expansion der Landwirtschaft noch verstärkt. So argumentiert Wallace in einem kürzlich geführten Interview, dass, neben der industriellen Landwirtschaft, das Kapital »weltweit die letzten Urwälder und die letzten von Kleinbauern bewirtschafteten Flächen
[erobert]
. Diese Investitionen treiben die Entwaldung und damit eine Entwicklung voran, die zur Entstehung neuer Krankheiten führt. Die funktionelle Vielfalt und Komplexität dieser riesigen Landflächen wird so vereinheitlicht, dass zuvor eingeschlossene Krankheitserreger auf die lokale Viehzucht und die menschlichen Gemeinschaften überspringen.« Dieser Prozess wird durch Kapitalströme aus den Kerngebieten des Systems angetrieben: »Kurz gesagt, die Metropolen des globalen Kapitals, Orte wie London, New York und Hongkong, müssen als Krisenherd für die wichtigsten Krankheiten betrachtet werden.«[49] Neben den Änderungen der Landnutzung wird die durch den Klimawandel verursachte umfassendere ökologische Störung wahrscheinlich weitere zoonotische Übertragungen auslösen.
Diese zweischneidige Vergrößerung der Bedrohung wird durch zwei große Grippeausbrüche in den letzten Jahrzehnten belegt. Der erste war die »Vogelgrippe«, die durch einen ungewöhnlichen Stamm namens H5N1 verursacht wurde, der 1997 erstmals in Hühnerfarmen in Hongkong auftrat. Zunächst verursachte sie eine große Zahl von Todesfällen in den Geflügelherden. Bis zum Ende des Jahres wurden 18 Menschen, die positiv auf H5N1 getestet wurden, in Krankenhäuser eingeliefert, ein Drittel verstarb. Im Dezember 1997 wurden Hühner auf einem »Wet Market« (»feuchter, nasser Markt«) in Hongkong befallen – erneut wurde H5N1 als Verursacher identifiziert.[50] In Hongkong reichten die Farmen »von großen Betrieben, mit Hühnern in sehr stressigen (für die Vögel) großen Herden, bis hin zu kleinen Betrieben, in denen die Vögel mit anderen Nutztieren frei herumliefen und sich entlang von Wasserläufen und Teichen mit eindringenden Wildvögeln wie Enten und Gänsen vermischten«. Es gab auch große »Verwahrungslager« mit Vögeln zum Schutz vor Marktschwankungen. Diese wahllose und schlecht regulierte Industrie bediente dann Märkte, die »ein chaotisches Durcheinander von Käfigen verschiedener Arten« waren, darunter neben Hühnern auch »Enten, Gänse, Rebhühner, Wachteln, Tauben und eine Vielzahl von wild gefangenen Vögeln« sowie Säugetieren und Reptilien.[51]
Diese Produktionssysteme waren mit den Herstellern auf dem chinesischen Festland verbunden und standen durch sie unter enormem Druck. Guangdong, das an Hongkong grenzt, ist zu einer Art Labor für neue Hühnerzuchtmethoden geworden, die industrielle Hühnerzucht nachahmend, die in den USA in den Nachkriegsjahrzehnten eingeführt wurde.[52] Es ist, wie Davis es ausdrückt, das »Epizentrum der Influenzarevolution«.[53] Entscheidend für diese Geschichte ist das Geschäftsimperium Charoen-Pokphan, das von zwei thailändischen Brüdern aufgebaut wurde – im Wesentlichen in Anlehnung an die Methoden von Tyson in den USA und unter geschickter Ausnutzung der Öffnung der chinesischen Wirtschaft durch Deng Xiaoping ab 1978.[54] Die Hinwendung zur industriellen Landwirtschaft züchtet nicht nur Viren, sondern selektiert tatsächlich auch die virulenteren Formen. Wie Wallace argumentiert:
Krankheitserreger müssen die Entwicklung einer Fähigkeit vermeiden, nach der sie ihrem Wird so viel Schaden zufügen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu übertragen. Wenn ein Erreger seinen Wirt tötet, bevor er den nächsten Wirt infiziert, zerstört er seine eigene Übertragungskette. Was aber passiert, wenn der Erreger »weiß«, dass der nächste Wirt viel früher kommt? Der Erreger kann mit einer Virulenz davonkommen, weil er den nächsten empfänglichen Wirt in der Kette erfolgreich infizieren kann, bevor er seinen Wirt tötet […]. In
[industriellen]
Betrieben wird zusätzlicher Druck auf die Influenzavirulenz ausgeübt. Sobald die Nutztiere die richtige Menge erreichen, werden sie getötet. Resistente Influenza-Infektionen müssen bei jedem beliebigen Tier schnell ihre Übertragungsschwelle erreichen, bevor das Huhn oder die Ente oder das Schwein geopfert wird.[55]
Das Netzwerk, das sich über Guangdong und Hongkong erstreckt, wobei sich das Geflügel in beide Richtungen über die Grenze bewegt, war daher ein idealer Ort für das Auftreten eines tödlichen Grippevirus. Die Region kombinierte Muster einer expandierenden, industrialisierten, aber schlecht regulierten Landwirtschaft mit der Vermischung verschiedener Vogelarten, entweder auf Farmen, die sich in die Feuchtgebiete der Provinz ausdehnten, oder auf Wet Markets. Später stellte sich heraus, dass das H5N1-Virus das Ergebnis eines Stammes war, der bei Gänsen gefunden wurde und sich mit zwei Wachtelstämmen der Influenza kombinierte.[56] Der Ausbruch wurde durch umfassende Notschlachtungen, die Schließung von Märkten für Reinigungsarbeiten, die Umstrukturierung von Märkten auf getrennte Arten und ein Verkaufsverbot für lebende Enten eingedämmt. Bis zu 200 Millionen Vögel starben oder wurden notgeschlachtet.[57] Dies funktionierte, aber hauptsächlich deshalb, weil H5N1 bisher nur gelegentlich und in geringem Umfang auf den Menschen übertragen wurde.[58] Die WHO hat 861 Fälle von H5N1 beim Menschen mit 455 Todesfällen registriert, wobei Ägypten, Indonesien und Vietnam am stärksten betroffen waren.[59]
Es war jedoch nicht H5N1, das zur ersten Grippepandemie des 21. Jahrhunderts führte. 2009 entstand eine neue Bedrohung, die auf einem H1N1-Grippestamm basiert, einer Variante des Typs, der die Pandemie von 1918 verursachte – nicht in den Wet Markets Südostasiens, sondern in Nordamerika. Als die Fälle in den USA auftraten, war eine Übertragung von Mensch zu Mensch bereits möglich. Die Krankheit hatte mexikanische Schweineherden durchlaufen, die zunehmend in großem Maßstab industriell betrieben wurden.[60] Es stellte sich heraus, dass der Stamm Gensegmente aus »Viruslinien von Menschen, Vögeln und zweier Schweinerassen (eine nordamerikanische und eine eurasische)« kombinierte.[61] Die WHO erklärte die Schweinegrippe schnell zur Pandemie. Glücklicherweise erwies sich das Virus als vergleichsweise mild, mit Sterblichkeitsraten, die mit der saisonalen Grippe vergleichbar sind. Dies führte in der Tat zu erheblicher Kritik an der WHO, insbesondere als das British Medical Journal enthüllte, dass eine Reihe von WHO-Experten von Pharmaunternehmen bezahlt wurden, die von der Produktion von Impfstoffen und antiviralen Medikamenten profitieren würden.[62] Dies zeigt die Gefahr, Gesundheit als privates und nicht als öffentliches Gut zu behandeln. Das Misstrauen oder sogar Feindseligkeit gegen das medizinische Establishment ist kaum verwunderlich, wenn es mit Profiteuren durchsetzt ist. Dennoch sollten H5N1 und H1N1 als knapp abgewehrte oder, was wahrscheinlicher ist, aufgeschobene Katastrophen betrachtet werden – erstere, weil sie noch keine signifikante Übertragung von Mensch zu Mensch erreicht hat, letztere, weil sie in ihrer gegenwärtigen Form nicht besonders virulent ist.
Dasselbe kann man von den beiden früheren Coronavirus-Ausbrüchen in diesem Zeitraum nicht sagen. Im Jahr 2003 tauchte in Guangdong ein Coronavirus auf, mit einer großen Häufung von Lungenentzündungen in der Provinz. Das ausgelöste Schwere akute Atemwegssyndrom (SARS) hatte eine Sterblichkeitsrate von etwa 10 Prozent. SARS ging wahrscheinlich von Larvenrollern aus, die auf einem Wet Market in der Provinz verkauft wurden, wobei die Tiere ein Vermittler zwischen Menschen und Chinesischen Hufeisennasen waren, die als Reservoir für eine Reihe von SARS-verwandten Coronaviren fungieren.[63] Das Auftreten von SARS spiegelt Wallace’ Argument über die Interaktion zwischen Stadt und Land wider. Die rasche Ausdehnung von Guangdong hat eine breite »städtische Peripherie« geschaffen, die sich nicht nur durch »eine Koexistenz von Industrie und Landwirtschaft oder städtischen und ländlichen Aktivitäten, sondern auch durch die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Sektoren« auszeichnet. Dies hat sich seit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft beschleunigt. »Der Austausch zwischen Stadt und Land war in der Zeit vor der Reform […] durch die zentrale Ressourcenzuteilung, die Preisfestsetzung und die Migrationskontrolle stark begrenzt, diese bildeten eine unsichtbare, aber wirksame ‚Mauer‘, die Stadt und Land voneinander trennte […]. Die Umsetzung einer liberalen und flexiblen Wirtschaftspolitik seit den Reformen hat es Stadtbewohnern und Bauern ermöglicht, direkt und spontan miteinander zu interagieren, was zu einer Neuordnung der Beziehungen zwischen Stadt und Land führte.«[64]
Ende 2002 erreichte die Krankheit Guangzhou, damals eine Stadt mit zehn Millionen Einwohnern. Die chinesischen Regierungsbeamten hielten aber Informationen über den Ausbruch vor der eigenen Öffentlichkeit und der internationalen Gesundheitswelt bis zum 11. Februar 2003 zurück.[65] Nach einem massiven staatlichen Quarantäne-, Erkennungs- und Reinigungsprogramm, das in vielerlei Hinsicht als Testlauf für die Geschehnisse Anfang 2020 diente, wurde SARS schließlich im Jahr 2004 eingedämmt.[66] Bei COVID-19 dürfte es jedoch nicht so einfach sein. Bei SARS neigten die Menschen dazu, erst dann am ansteckendsten zu werden, wenn sie bereits schwer krank und weitgehend arbeitsunfähig waren. Dies ist bei COVID-19 nicht der Fall, das sich bereits in wesentlich größerem Ausmaß verbreitet hat.[67]
Ein noch tödlicheres Coronavirus, das Mittlerer-Osten-Atemwegssyndrom Coronavirus (MERS-CoV), trat 2012 in Saudi-Arabien auf – mit einer Sterblichkeitsrate von etwa einem Drittel. Es breitete sich nach Europa, Asien, dem weiteren Nahen Osten und Nordamerika aus und führte zu 2.494 bestätigten Fällen und 858 Todesfällen.[68] Hier waren Dromedare das Bindeglied zwischen Fledermäusen und Menschen, wobei letztere bekanntermaßen mehrere Jahrzehnte lang Formen des Virus in sich trugen. Heute werden Kamele in den ölreichen und inzwischen weitgehend urbanisierten arabischen Staaten in erster Linie als Statussymbole gehalten, etwa für Kamelrennen und Shows oder für die Produktion von Fleisch- oder Milchprodukten zum Verkauf, und nicht mehr als Lasttiere oder zum sofortigen Verzehr. Neben der intensiven Kamelzucht gibt es heute sowohl umfangreiche Importe lebender Kamele nach Saudi-Arabien – 70 Prozent der 2013 in Saudi-Arabien geschlachteten Kamele wurden importiert – als auch Transporte von Kamelen zwischen verschiedenen arabischen Staaten für Rennen und Shows. Diese Geschäfte könnten zur Vermischung verschiedener Coronavirusstämme aus verschiedenen Populationen und in der Folge zum Ausbruch von MERS geführt haben.[69]
Die Entstehung von COVID-19
COVID-19 wird durch ein Betacoronavirus verursacht, wie jenes, das für SARS und MERS verantwortlich ist. Wuhan, das als Ground Zero für den Ausbruch gilt, ist eine 11-Millionen-Stadt, die Hauptstadt der Binnenprovinz Hubei in Zentralchina. Sie liegt nördlich von Guangdong und war, zusammen mit Jiangsu im Osten, ein Wachstumsmotor der chinesischen Fertigungsproduktion. Wuhan war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wirtschaftlich und politisch wichtige Stadt, die im Zentrum eines Netzes von Wasserstraßen und später auch von Eisenbahnen lag. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 beherbergte sie große staatlich geförderte Schwerindustrien, insbesondere die Eisen- und Stahlindustrie und später die Automobilindustrie.
Mit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft ab Ende der 1970er-Jahre nahm die Bedeutung der Stadt im Vergleich zu den Küstenregionen ab. Dennoch wurde Wuhan in jüngster Zeit in den chinesischen Bauboom hineingezogen: »Wuhan nährte diese Blase nicht nur mit seinem Überangebot an Baumaterialien und Bauingenieuren, sondern wurde dadurch auch zu einer eigenen Immobilien-Boomtown.«[70] Laut einem Bericht der Bank HSBC wuchs die Wohnbevölkerung Wuhans von 2008 bis 2017 um etwa ein Fünftel; viele der Neuankömmlinge waren Migranten aus anderen Teilen Chinas, die etwa ein Drittel der Stadtbevölkerung der Stadt ausmachen. 2017 erreichten die Investitionen in Wohnungsprojekte 26,8 Milliarden Dollar, wobei sich die Wohnungspreise in den letzten zehn Jahren vervierfacht haben. Der reichste Mann der Stadt, Yan Zhi, machte einen großen Teil seines Vermögens, der 2018 einen Höchststand von 10 Milliarden Dollar erreichte, mit Immobilien.[71]
Eine große Zahl der Einwohner der Stadt ist auf Wet Markets für Lebensmittel angewiesen, und in diesem Zusammenhang scheint COVID-19 entstanden zu sein. Doch, wie Wallace betont, ist »der Unterschied zwischen Massentierhaltungen und Wet Markets zwar nicht unwichtig, man übersieht dabei vielleicht ihre Gemeinsamkeiten (und dialektischen Beziehungen)«:
Wet Markets und exotische Nahrungsmittel gehören in China zur Grundversorgung, genauso wie heute die industrielle Produktion, beide bestanden seit der wirtschaftlichen Liberalisierung nebeneinander […] Tatsächlich können die beiden Ernährungsweisen durch die Landnutzung verbunden werden. Die Ausweitung der Industrieproduktion kann die zunehmend kapitalisierte Wildtierhaltung tiefer in die letzten unberührten Landschaften drängen und ein größeres Spektrum an potenziellen proto-pandemischen Krankheitserreger zutage fördern. Zunehmende stadtnahe Austauschkreisläufe und Bevölkerungsdichten können die Schnittstelle (und den Übertragungsraum) zwischen wilden, nicht-menschlichen Populationen und der neu urbanisierten ländlichen Umgebung vergrößern. Weltweit werden selbst die freilebendsten, einfachsten Arten in [landwirtschaftliche] Wertschöpfungsketten eingebunden: darunter Strauße, Stachelschweine, Krokodile, Flughunde und Larvenroller, deren teilweise verdauten Beeren heute die teuerste Kaffeebohne der Welt liefern. Einige Wildarten schaffen es den Teller, bevor sie überhaupt wissenschaftlich identifiziert wurden, darunter ein neuer Kurznasen-Dornhai, der auf einem taiwanesischen Markt gefunden wurde. Alle werden zunehmend als Waren behandelt. Während die Natur Ort für Ort, Art für Art abgetragen wird, wird das, was übrig bleibt, umso wertvoller.[72]
Tatsächlich hat die chinesische Politik auf nationaler Ebene und durch regionale und lokale Führer, die sich im Wettbewerb engagieren, die Wildtierhaltung gefördert, was als ein Aufschwung für die ländlichen Industrien angesehen wird. Der Wert der Wildtierhaltung wurde 2017 auf 64 Milliarden Euro geschätzt.[73]
COVID-19 verbreitete sich schnell über Wuhan hinaus. Nicht nur sind die Bevölkerungen auf der Welt stärker miteinander verbunden als je zuvor, sondern Flugreisen bedeuten auch, dass die Reisezeiten oft kürzer als die Inkubationszeit der Krankheitserreger sind – Reisende können angekommen sein und mit der Verbreitung einer Krankheit begonnen haben, bevor sie irgendwelche Symptome zeigen. 2003, beim Ausbruch von SARS, war Hongkong der Knotenpunkt für die Übertragung in Städte auf der ganzen Welt, aber heute ist China selbst durch ein dichtes Kommunikationsnetz mit anderen Städten verbunden.[74] Wuhan hat einen eigenen internationalen Flughafen, der mit über 60 Zielen im Ausland verbunden ist.[75] Im Jahr 2019 gab es in China 515 Millionen Inlandsflüge, wobei die Zahl der internationalen Flüge von 6,2 Millionen im Jahr 2000 auf 51,62 Millionen im Jahr 2016 anstieg.[76]
Trotz des spektakulären Wachstums und der Verstädterung sind die Ausgaben für das Gesundheitswesen nach wie vor gering. »Der Großteil der öffentlichen Ausgaben wurde für die Infrastruktur aus Ziegelsteinen und Mörtel – Brücken, Straßen und billige Elektrizität für die Produktion – aufgewendet«, was zu einer »allgemeinen Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung« führte und einige der Bedingungen der frühen Industrialisierung in anderen Ländern reproduzierte. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Person sind »selbst in anderen Ländern mit ‚gehobenem Mitteleinkommen‘ niedrig und […] etwa halb so hoch wie in Brasilien, Weißrussland oder Bulgarien«.[77] Darüber hinaus haben viele chinesische Wanderarbeiter keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung, sobald sie ihre ländliche Heimatstadt verlassen. Die Voraussetzungen für die Ausbreitung einer Epidemie in China und in der ganzen Welt wurden geschaffen.
Die wirtschaftlichen Folgen
China hat sich in den letzten Jahren zum weltgrößten Warenexporteur entwickelt – und zum größten Importeur von Rohstoffen. Es kontrolliert 40 Prozent der globalen Bekleidungs- und Textilexporte, rund ein Drittel der globalen Exporte von Büro-, Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsausrüstung, 13 Prozent der Eisen- und Stahlexporte und 14 Prozent der elektronischen Komponenten für integrierte Schaltkreise.[78] Allerdings ist China nicht bloß eine Exportmacht; es hat sich im Zentrum globaler Produktionsnetzwerke positioniert, auf regionaler wie internationaler Ebene. Das trifft besonders in der Elektronik zu. Die Ausweitung der Quarantänebestimmungen und Fabriksschließungen in Regionen wie Zhejiang, Guangdong und Henan trafen die Lieferketten von Firmen wie Apple. Der riesige taiwanesische Konzern Foxconn, der iPhones für Apple herstellt, erwartet, dass ihre Umsätze im ersten Quartal um 45 Prozent sinken werden. Im ganzen Land erfuhr der Purchasing Managers Index (Einkaufsmanagerindex) für die Fertigungsindustrie, ein wichtiges Messinstrument für die zu erwartende Wirtschaftsaktivität, seinen bisher drastischsten Abschwung, schlimmer noch als während der Krise 2008.[79]
Die Konjunkturabschwächung in China selbst und die Auswirkungen von COVID-19 auf die Weltwirtschaft insgesamt löste bald auf der ganzen Welt einen Einbruch an den Börsen aus. Mitte März hatten die Märkte in den USA und Europa einige ihrer größten Einbrüche in der Geschichte verzeichnet. Die Erschütterung auf den Aktienmärkten wurde durch einen aufkommenden Preiskampf in der Energiewirtschaft zusätzlich verschlimmert. In den letzten drei Jahren haben Ölproduzenten wie Saudi-Arabien und Russland Absprachen getroffen, um das Angebot einzuschränken und die Ölpreise relativ hoch zu halten. Angesichts des Abschwungs der chinesischen Fertigungsindustrie bemühte sich Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman, bekannt als MBS, Wladimir Putin davon zu überzeugen, die Produktion zu drosseln. Putin allerdings sah eine Koordinierung unter Produzenten, um den Ölpreis zu stützen, als eine Hilfe für die US-amerikanische Ölschieferindustrie, die teure Energie benötigt, um existenzfähig zu sein. Die Ölschieferproduktion hat es den USA erlaubt, der weltgrößte Ölproduzent zu werden und dabei sowohl Russland als auch Saudi-Arabien zu überholen. Zudem sträubte Putin sich gegen die aktuelle Entscheidung der USA, Sanktionen gegen die Handelsgesellschaft Rosneft zu verhängen, Russlands staatlich kontrollierter Ölkonzern.[80]
Es droht eine Rezession, und das ist sicherlich auch die Ansicht der Zentralbanken. Am 3. März senkte die US-Notenbank (Fed) nach einer Krisensitzung die Leitzinsen um 0,5 Prozent, zum ersten Mal seit der Krise von 2008-9. Die Fed versprach auch Geld in die Finanzmärkte zu pumpen, besonders in die »Repo«-Märkte, die Finanzunternehmen nutzen, um kurzzeitig Liquidität zu erhalten, im Tausch gegen Sicherheiten wie Anleihen. Eine Woche später folgte die Bank of England mit einer eigenen Zinssenkung. Die Europäische Zentralbank (EZB), deren Leitzins bereits negativ ist, verunsicherte Investoren, als sie nur begrenzte Hilfen anbot und ihr Quantitative Easing-Programm (Quantitative Lockerung) erweiterte. Am 15. März kündigte die Fed neue Maßnahmen an – Senkung der US-Zinssätze auf nahe Null, Erweiterung ihrer Anleihenkäufe und Angebot neuer »Swap-Linien«, um andere Zentralbanken mit Dollar zu versorgen. Der Fokus auf Repo-Märkte und das Bereitstellen von ausreichend Dollar, um das globale Finanzsystem zu schmieren, spiegelt Ängste vor einer Liquiditätskrise wie sie sich ab 2007 entwickelt hat wider – und erinnert stark an die Notmaßnahmen, die schließlich vor zehn Jahren ergriffen wurden.[81] Mit anderen Worten, jene auf den Kommandobrücken der Wirtschaft glauben, dass dies eine Krise sein könnte, die zumindest in der Größenordnung vergleichbar ist mit 2008-9.
Dennoch, auch wenn COVID-19 eine globale Konjunkturabschwächung auslösen könnte, ist es nicht die eigentliche Ursache dafür. Das Weltsystem schwächelte bereits vor dem COVID-19-Ausbruch stark.[82] Die Ursache dafür liegt in einer langen Periode niedriger Profitabilität und den angewandten Methoden, um die Wirtschaft aus der Rezession von 2008-9 zu ziehen. Wie ich 2018 argumentiert habe: »Die Rezession von 2008-9 war eine lang aufgeschobene Krise des Systems, die durch eine Periode gedämpfter Profitabilität, durch Fehlstrukturen bei der Finanzialisierung und durch das Vorgehen von Staaten vorbereitet wurde. Die Tatsache, dass man keinen Zusammenbruch in der Größenordnung der 1930er-Jahre erlaubte, hat uns stattdessen eine lange Depression beschert – eine ausgedehnte Periode relativ trägen und zaghaften Wachstums.«[83] Die Maßnahmen, die die herrschenden Klassen im Zuge der Krise ergriffen – Konjunkturpakete, Zinssenkungen und Quantitative Easing, bedeuteten:
Der Kapitalismus wurde an ein Lebenserhaltungssystem angeschlossen – aber eines, das eine deutlich finanzialisierte Form annahm […]. Die Maßnahmen zielten scheinbar darauf ab, Kreditflüsse an Unternehmen zu gewährleisten, um die Produktion anzukurbeln. Doch unter Bedingungen gedämpfter Profitabilität schlug das fehl. Schnelle Akkumulation geschieht unter Bedingungen, in denen Investoren glauben, dass die Produktion profitabel sein wird. Stattdessen wurde Geld entweder von Banken gehortet oder floss in Finanzinvestitionen, häufig renditestarke, riskante Investitionen […] Die finanzialisierte Rettungsaktion hat nicht nur Spekulationen angeheizt – und nebenbei den Preis der Vermögenswerte der Reichen hochgetrieben – sie hat auch jegliche Lösung der zugrundeliegenden Krise weiter hinausgezögert.[84]
In einem Artikel in der Financial Times mit dem Titel »Die Saat der nächsten Schuldenkrise« stellt John Plender fest, dass die globale Verschuldung bis zum dritten Quartal 2019 einen Rekord von 322 Prozent des BIP erreicht hatte, nahezu 253 Billionen Dollar. Ein Großteil davon entfällt auf nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, die angesichts der gegenwärtigen Störungen möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihre Schulden zu bedienen.[85] Mit anderen Worten, wir könnten die Grenze der Periode stagnierenden und unsicheren Wachstums, die nach 2008-9 aufkam, erreicht haben. Wie ein anderer Artikel in der Financial Times bemerkte:
Unternehmen haben sich ein Jahrzehnt lang mit billigen Krediten den Bauch vollgeschlagen […]. Die Kreditkosten waren gesunken, nachdem die Zentralbanken die Zinssätze gesenkt hatten, um ihre Volkswirtschaften nach der Finanzkrise von 2008 aufzupäppeln. Investoren, die keine Erträge aus sicheren Staatsanleihen erzielen konnten, sahen die Kreditvergabe an risikoreichere Unternehmen als einen Weg, um die Rendite zu steigern. Ruchir Sharma, Chefstratege bei Morgan Stanley Investment Management, schätzt, dass jedes sechste US-Unternehmen nicht ausreichend Cashflow erwirtschaftet, um die Zinszahlungen für seine Schulden zu decken. Solche »Zombie« -Schuldner konnten die Krise hinauszögern, solange ihnen die Schuldenmärkte die Refinanzierung ermöglichten. Aber jetzt kommt die Abrechnung.[86]
Ohne, dass unrentable Firmen in weitaus größerem Umfang ausgemistet werden, als bisher, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Profitraten wieder erholen werden. In diesem Kontext, wo die Zinssätze bereits nahe oder unter Null liegen und die Bilanzen der Zentralbanken bereits durch den erfolgten Kauf von Vermögenswerten belastet sind, sind den Möglichkeiten der Geldpolitik Grenzen gesetzt. Wir stehen möglicherweise, wie Plender argumentiert, vor »einer Kreditklemme in einer Welt mit extrem niedrigen und negativen Zinssätzen«. Er stellt fest, dass, selbst wenn Zentralbanken aktiver wären, die Gefahr bestehe, dass »die dysfunktionale Geldpolitik, die zur ursprünglichen Finanzkrise beigetragen hat, verfestigt und der gefährliche Schuldenüberhang, dem die Weltwirtschaft jetzt gegenübersteht, noch verschärft wird.«[87] Da ein Großteil der Munition, die traditionell zur Abwendung einer Krise eingesetzt wird, bereits verschossen wurde, befürworten viele politische Entscheidungsträger und Kommentatoren einen Wechsel zur Fiskalpolitik. Allerdings gibt es, wie Michael Roberts betont, nur wenige Hinweise darauf, dass allein die bloße Inkaufnahme von Defiziten und die Tätigung von Staatsausgaben in der vorgesehenen Größenordnung das Wachstum angesichts der niedrigen und rückläufigen Profitabilität aufrechterhalten können – und dies ist ohnehin für viele schwächere Volkswirtschaften des Globalen Südens unmöglich.[88] Eine starker Abschwung kann durchaus die Folge sein.
Zwischen Selbstgefälligkeit und Autoritarismus
Regierungen haben unterschiedlich auf die Pandemie reagiert. Dies ist in erster Linie nicht die Folge von Meinungsverschiedenheiten über die Epidemiologie oder Virologie, obwohl es angesichts des begrenzten Wissenstands über COVID-19 zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch viele Unbekannte gibt. Viel grundlegender spiegeln die Reaktionen den Kontext von in Klassen geteilten kapitalistischen Staaten wider, die in eine konfliktreiche globale Ordnung eingebunden sind. Die typische Antwort von jenen, die über das System walten, war zunächst Selbstgefälligkeit, da sie versuchen, die Produktion und die Zirkulation des Kapitals auf Kosten menschlichen Leids aufrechtzuerhalten, gefolgt von verzweifelten Top-Down-Maßnahmen, als klar wird, dass die Realisierbarkeit zukünftiger Profite durch die Pandemie in Frage gestellt wird.
Chinas Lockdown-Programm erstreckte sich auf seinem Höhepunkt auf rund 760 Millionen Menschen.[89] Große Arbeitsstätten wurden geschlossen und der Personenverkehr eingeschränkt. Daher wird allgemein angenommen, dass China die Ausbreitung des Virus verlangsamt hat – obwohl noch Fragen zu den offiziellen Zahlen bestehen und ob das Virus wieder auftauchen wird, wenn die Kontrollen gelockert werden. Das ist besonders relevant, da die Regierung offenbar die rasche Wiedereröffnung von Betrieben priorisiert.
Darüber hinaus gibt es drei Gründe, weshalb sich die Linke davor hüten sollte, China mit Lob zu überhäufen. Erstens ist unbestritten, dass ein autoritärer Staatsapparat manchmal Dinge tun kann, die liberale Demokratien nicht können. Dies rechtfertigt jedoch nicht, die Diktatur als der Demokratie überlegen anzusehen – eine Version des »unter Mussolini seien die Züge immer pünktlich gefahren«-Arguments.[90] Das gewaltsame Zusammentreiben von Zehntausenden von Menschen in provisorischen Isolationszentren in Stadien, Massenüberwachung sowohl online als auch auf lokaler Ebene sind kaum ein Modell für Sozialist_innen oder eine Methode, um echte Unterstützung für Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit zu bekommen.[91] Die chinesische Reaktion wurde als »verzweifelte, aggressive Maßnahmen« beschrieben, ähnlichen denen, die zur Aufstandsbekämpfung in Algerien oder Palästina angewendet werden, die in diesem Fall jedoch in »Megastädten« durchgeführt werden, in denen ein großer Teil der Weltbevölkerung lebt.[92]
Zweitens geht das oberflächliche Bild einer effizienten, zentralisierten Unterdrückung davon aus, dass der chinesische Staat mächtiger und kohärenter ist, als er tatsächlich ist. Auch hier kommentiert der anonyme Autor in Chuang treffend. Zwar konnte der zentrale Staatsapparat letztendlich seine Bemühungen auf Wuhan konzentrieren, doch im Allgemeinen stützte er sich auf eine Kombination aus »weit verbreiteten Aufforderungen zur Mobilisierung lokaler Beamter und Bürger und einer Reihe von nachträglichen Strafen für die schlechtesten Hilfeleistenden.«[93] Außerhalb von Hubei war die Reaktion äußerst uneinheitlich. Dies führte in einigen Gebieten zu willkürlicher Repression, beispielsweise zur Ausstellung von 30 Millionen »lokalen Pässen« in vier Städten in Zhejiang, »die es einer Person pro Haushalt erlaubten, alle zwei Tage das Haus zu verlassen.«[94] Journalisten der New York Times berichteten aus China:
Eine Mobilisierung der Basis, die an die Massenkreuzzüge im Mao-Stil erinnert, wie sie seit Jahrzehnten in China nicht mehr gesehen wurde, der im Wesentlichen die Seuchenprävention an vorderster Front als einer übertriebenen Version einer Nachbarschaftswache anvertraut wird […]. Trotz Chinas Arsenal an High-Tech-Überwachungsinstrumenten werden die Kontrollen hauptsächlich von Hunderttausenden von Arbeitern und Freiwilligen durchgeführt, die die Körpertemperatur der Bewohner überprüfen, ihre Bewegungen protokollieren, Quarantänen überwachen und – was am wichtigsten ist – Außenstehende fernhalten, die das Virus möglicherweise in sich tragen könnten.[95]
Der Patchwork-Charakter der Reaktion Chinas spiegelt den Wettbewerb zwischen lokalen und regionalen Führungskräften wider. Ein chinesischer Professor erklärte: »Als die Epidemie bekannt wurde, übte die Zentralregierung enormen Druck auf die örtlichen Beamten aus. Dies löste einen Wettbewerb zwischen den Regionen aus und die lokalen Regierungen wandelten sich von übermäßig konservativ zu radikal.«[96]
Drittens ignoriert sie die Schuld des chinesischen Staates, eine Epidemie überhaupt erst um sich greifen zu lassen – etwas, das in den letzten Jahren mit großer Regelmäßigkeit geschehen ist, wie die Beispiele von SARS und H5N1 zeigen. Die erste Reaktion des Staates, als Anfang Dezember 2019 Fälle auftraten, bestand darin, den Ausbruch zu vertuschen – medizinische Fachkräfte, die als Whistleblower fungierten, zum Schweigen zu bringen, am bekanntesten den Augenarzt Li Wenliang, dessen Tod im Zusammenhang mit COVID-19 für Empörung sorgte.[97]
Außerhalb Chinas schien, zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen, Italien die meisten Fälle und Todesfälle durch COVID-19 zu verzeichnen. Es gibt Hinweise darauf, dass das Virus seit einiger Zeit unentdeckt im Land kursierte, bevor der erste Fall auftrat. Italien ist besonders gefährdet, weil der Anteil an älteren Menschen in der Bevölkerung ungewöhnlich hoch ist. Das bereits durch jahrelange Sparmaßnahmen geschwächte Gesundheitssystem ist jetzt überfordert und Intensivmediziner_innen kommen nun an einen Punkt, an dem sie entscheiden müssen, welche Patient_innen lebensrettende Behandlungen erhalten sollen.
Die Reaktion der Regierung war schließlich die Schließung von Schulen, Universitäten, Geschäften (außer Supermärkten und Apotheken), Bars und Restaurants – doch Banken und Betriebe blieben weiter offen. In vielen Ländern gab es ein ähnliches Muster: Arbeiter_innen dürfen sich nicht versammeln, außer, um die Produktionsmittel zu bedienen. Tatsächlich forderte Confindustria, die größte italienische Wirtschaftslobby, in einem Schreiben an die Regierung eine »ausgewogene Lösung«, da die Schließung von Arbeitsplätzen »unweigerlich Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung hätte«[98] Politiker verschiedener Färbungen reagierten auf diese Botschaft. Der Präsident der Lombardei, ein Mitglied der rechtsextremen Lega, argumentierte, der Ausbruch sei »kaum mehr als eine normale Grippe”, während der Mitte-Links-Bürgermeister von Mailand eine »Mailand hört nicht auf«-Kampagne (Milano non si ferma) startete.[99] Eine Reaktion in Italien Anfang März war eine spontane Streikwelle, als Arbeiter_innen die Angelegenheit selbst in die Hand nahmen. Es kam zu Streiks in den Fiat-Werken in Termoli und in der Nähe von Neapel, bei Automobilzulieferern in Florenz, in Werften in Venedig und im Hafen von Genua. Auch in Stahl- und Bekleidungsfabriken kam es zu Arbeitsniederlegungen.[100]
Mitte März war klar, dass das Infektionsmuster in Italien lediglich der Vorläufer für ähnliche Wellen in ganz Europa war. Bis zum 16. März hatten 36 europäische Länder ihre Schulen geschlossen oder teilweise geschlossen; die meisten hatten intern Reisebeschränkungen auferlegt, einige schlossen ihre Grenzen; öffentliche Versammlungen und Sportveranstaltungen wurden in den meisten Ländern verboten, in einigen wurden Geschäfte, Cafés, Kinos und Theater geschlossen.
Im Kernland des globalen Kapitalismus reagierte Donald Trump zunächst damit, dass er COVID-19 als einen »Scherz« der Demokratischen Partei verurteilte, ähnlich dem Amtsenthebungsversuch, während sein Verbündeter Larry Kudlow, der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, die Menschen aufforderte, »Bleibt in der Arbeit«, da das Virus »relativ eingedämmt« sei.[101] Schließlich sah sich Trump gezwungen, einen nationalen Notstand auszurufen, ein Konjunkturpaket zu schnüren und die Mittel für die Bundesbehörden zu erhöhen, ein Vorgehen, das mit antichinesischer Hetze und Grenzschließungen kombiniert war. Die verzögerte Erkennung der Bedrohung durch den Ausbruch hat die Probleme, die durch das private Gesundheitssystem der USA verursacht werden, noch verschärft. Die Zahl der Tests auf COVID-19 gehören zu den niedrigsten unter den wohlhabenden Länder, es gibt viel zu wenige Intensivbetten, vor allem wenige freie, und die finanziellen Hürden beim Zugang zur Gesundheitsversorgung sind hoch. Es gibt umfassende Berichte von Fällen, in denen Einzelpersonen die Behandlung in Rechnung gestellt wird, einschließlich der obligatorischen Quarantäne.[102]
Dann gibt es noch den Fall Großbritannien. Wie bei Trump war der Eindruck, den Premierminister Boris Johnson in den ersten Wochen des Jahres vermittelte, vor allem von Selbstgefälligkeit geprägt. Abgesehen von frühen Ratschlägen, sich beim Singen von Happy Birthday (oder im Fall von Jacob Rees-Mogg, der Nationalhymne) die Hände zu waschen, hinkte Großbritannien bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusausbreitung hinter anderen Ländern hinterher. John Ashton, ehemaliger Regionaldirektor für öffentliche Gesundheit im Nordwesten Englands, verurteilte die Verzögerungen bei der Einberufung des Notfallkomitees Cobra der Regierung, um auf den Notstand zu reagieren. »Unser Leute benehmen sich wie Kolonialisten des 19. Jahrhunderts, die ein fünftägiges Cricketspiel spielen«, sagte er und prangerte gleichzeitig die Auswirkungen eines Jahrzehnts von Sparmaßnahmen im öffentlichen Gesundheitswesen an.[103] Als die Regierung am 11. März im Budget eine Erhöhung der Ausgaben um 76 Milliarden Pfund ankündigte, von denen einige die Auswirkungen der Konjunkturabschwächung mildern sollten, reagierte die New York Times mit der Schlagzeile: »Das Vereinigte Königreich schützt seine Wirtschaft vor dem Virus, nicht aber seine Bevölkerung«. Der Artikel argumentierte, dass »der aggressive wirtschaftliche Rettungsplan des Landes […] in starkem Kontrast zur Reaktion seines Gesundheitssystems auf die Epidemie steht«.[104]
Einen Tag später kündigte Johnson an, dass Großbritannien von der Phase der »Eindämmung« der Krise in die Phase der »Verzögerung« übergehen werde, um die Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung zu verlangsamen. Aber er verstärkte die Besorgnis der Menschen mit einer gefühllosen Rede, an die man sich wegen ihrer Kernaussage erinnern wird: »Ich muss der britischen Öffentlichkeit die Wahrheit sagen: Noch viel mehr Familien werden geliebte Angehörige vorzeitig verlieren.«[105] Der wissenschaftliche Hauptberater der Regierung, Sir Patrick Vallance, behauptete in einem weit verbreiteten Interview mit Sky News, dass »Herdenimmunität« durch »etwa 60 Prozent« der Personen erreicht werden würde, die sich mit COVID-19 infizieren – Kommentare, die von anderen Beratern wiederholt und von Richard Horton, Herausgeber des Lancet, zu Recht verurteilt wurden.[106] Eine Reihe von Autoren stellte fest, dass dieser Ansatz über eine halbe Million Todesfälle bedeuten könnte. Für einige Teile der herrschenden Klasse sind diese Todesfälle möglicherweise nicht von allzu viel Belang. Jeremy Warner, Journalist des Daily Telegraph, schrieb: »Von einer völlig unparteiischen wirtschaftlichen Perspektive aus könnte sich der COVID-19 sogar langfristig als vorteilhaft erweisen, indem er ältere Angehörige überproportional aussortiert.«[107]
Am 16. März kam es jedoch zu einem plötzlichen Kurswechsel hin zu einem Lockdown – Johnson riet, alle »nicht wesentlichen Kontakte« zu beenden, sich von Pubs, Clubs, Restaurants und Theatern fernzuhalten und den Schwächsten, sich 12 Wochen lang zu isolieren.[108] Die Richtung deutet darauf hin, dass wahrscheinlich drakonischere Maßnahmen folgen werden. Laut Wissenschafter_innen des Imperial College, deren Forschung dazu beigetragen hat, die Regierung zum Umdenken zu bewegen, markiert die Ankündigung eine Verschiebung von der »Mitigation«, bei der sich das Virus in der Bevölkerung ausbreiten darf, während man gleichzeitig versucht die Auswirkungen zu begrenzen, hin zur »Suppression«, bei der die Regierung versucht, die Ausbreitung des Virus umzukehren.[109] Eine Herausforderung bei Letzterem besteht darin, dass eine Lockerung der Maßnahmen es dem Virus durchaus ermöglichen kann, seine Entwicklung fortzusetzen, folglich 18 Monate oder mehr zu seiner Unterdrückung nötig sein könnten. Dies wäre wirtschaftlich verheerend. Der Kurswechsel von Johnson ging mit der Ankündigung von Kreditgarantien und anderen Maßnahmen in Höhe von 330 Milliarden Pfund zur Unterstützung von Unternehmen einher. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Regierung gezwungen sein wird, weitere Eingriffe in die Wirtschaft vorzunehmen, wenn es ihr mit der Unterdrückung des Ausbruchs ernst ist.
Während die Ausbreitung des Virus in Ostasien, Nordamerika und Europa relativ einfach zu erfassen ist, sind die Auswirkungen von COVID-19 auf den Globalen Süden erschreckend ungewiss. Es ist einfach nicht bekannt, wie viele Fälle es in Subsahara-Afrika gibt, da es anfangs nur zwei Labors in der Region gab, in denen die erforderlichen Tests durchgeführt werden konnten und weil die Gesundheitssysteme dort durch jahrelange Strukturanpassungen ausgehöhlt wurden.[110] Der Optimismus derjenigen, die hoffen, dass relativ junge Bevölkerungsgruppen in Afrika, das wärmere Klima oder die Vertrautheit von Mediziner_innen mit Pandemien die Auswirkungen von COVID-19 lindern werden, sind wahrscheinlich fehl am Platz.[111] Wenn es auf dem Kontinent ankommt, wird es Bevölkerungsgruppen treffen, die bereits durch die Auswirkungen der HIV- und Ebola-Pandemien geschwächt sind und einer verarmten Gesundheitsversorgung unterliegen. Im Jahr 2015 hatte Kenia mit 50 Millionen Einwohnern nur 130 Intensivbetten.[112] Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommen könnte, ist im Iran zu sehen, der zu einem weiteren wichtigen Zentrum der Pandemie geworden ist. Der Iran gibt pro Kopf fast siebenmal so viel für Gesundheit aus wie Kenia, aber die Krankheit droht bereits Krankenhäuser zu überfordern; wobei Beweise darauf hindeuten, dass sie sich einige Zeit in der Bevölkerung ausbreitete, bevor Anstrengungen unternommen wurden, sie einzudämmen.[113]
Eine sozialistische Antwort
Eine sozialistische Antwort auf die Krise sollte einen Großteil des epidemiologischen gesunden Menschenverstandes anerkennen. Wenn sich ein Virus erst einmal ausreichend verbreitet hat und damit die anfänglichen Bemühungen um seine Eindämmung unrealistisch geworden sind, wird die Verlangsamung oder die Umkehrung seiner Ausbreitung zur zentralen Priorität. Epidemiolog_innen verwenden manchmal die »Basisreproduktionszahl« (R0), um die wahrscheinliche Anzahl der Personen anzugeben, die – unter Bedingungen, unter denen niemand immun ist – von jeder Person, die den Virus in sich trägt, infiziert werden. Wenn R0 kleiner als eins ist, ebbt eine Krankheit ab; wenn die Zahl größer als eins ist, wird sie zunächst zur Ausbreitung neigen. R0 für das Virus, das COVID-19 verursacht, wurde auf 2,0-2,5 geschätzt.
Zwei Aspekte von R0 sind für das Verständnis wichtig. Erstens setzt der Wert voraus, dass niemand immun ist. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels war unklar, inwieweit diejenigen, die sich von COVID-19 erholen, immun werden und, wenn ja, wie dauerhaft diese Immunität ist.[114] Zweitens ist R0 kein rein biologisches Konzept. Es ist »eine Schätzung der Ansteckungsfähigkeit, die eine Funktion des menschlichen Verhaltens und der biologischen Eigenschaften von Krankheitserregern ist.«[115] Die Zahl hängt also nicht nur von der Art des Virus ab, sondern auch von der Reaktion der Menschen auf die Ausbreitung des Virus und den von ihnen ergriffenen Maßnahmen. Wie bereits erwähnt, scheint die Richtungsänderung der Regierungspolitik in Großbritannien zumindest teilweise auf den Artikel von Ferguson und seinen Kolleg_innen am Imperial College zurückzuführen zu sein. Dieser argumentiert, dass Mitigationsmaßnahmen zu über einer halben Million Todesfällen in Großbritannien führen könnten – noch bevor die zusätzlichen Auswirkungen durch die Überforderung des Gesundheitswesens schlagend werden.[116] Sie plädieren weiterhin für die Suppression des Ausbruchs, sehen jedoch auch die enormen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind: »Bisher wurde keine Intervention im Bereich der öffentlichen Gesundheit mit derart störenden Auswirkungen auf die Gesellschaft über einen so langen Zeitraum versucht. Wie Bevölkerungen und Gesellschaften darauf reagieren werden, bleibt unklar.«[117]
Unabhängig davon, ob eine Suppression möglich ist oder nicht, gibt es wichtige Gründe dafür, die Reduktion des R0-Werts für das Virus anzustreben. Zunächst einmal könnte dies die Kurve des Ausbruchs »abflachen« und das Ausmaß der Überforderung des Gesundheitssystems mit schwerwiegenden Fällen verringern, indem die Auswirkungen über mehrere Monate verteilt werden. Zweitens könnte es den Höhepunkt des Ausbruchs in den Sommer verschieben, wo die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass er mit einem Höhepunkt der saisonalen Grippe zusammenfällt. Drittens könnte möglicherweise mehr Zeit für die Entwicklung eines Impfstoffs gewonnen werden – obwohl es unwahrscheinlich erscheint, dass ein Impfstoff bis 2021 in Produktion sein könnte, selbst im rosigsten Szenario.[118] Die unmittelbare Priorität muss daher darin liegen, die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen und gleichzeitig die am stärksten gefährdeten Personen zu schützen.
Die WHO empfiehlt umfassende Tests auf COVID-19, die freiwillige Isolierung von denjenigen, die Symptome zeigen, gefolgt von Contact Tracing (Nachverfolgung von Kontakten) und der freiwilligen Quarantäne derjenigen, mit denen diese Personen in engem Kontakt standen. Diese müsse durch »Social Distancing« (Räumliche Distanzierung) unterstützt werden. Dies bedeutet Verhaltensänderungen – mehr als zwei Meter von anderen Menschen entfernt stehen, Händeschütteln und anderen physischen Kontakt vermeiden und so weiter. Es bedeutet auch zu vermeiden, dass sich Menschen in unmittelbarer Nähe zueinander versammeln. Dies ist besonders wichtig im Fall von COVID-19, da sich das Virus verbreiten kann, während die Menschen keine Symptome zeigen.
Die Frage ist, wie dies in einer kapitalistischen Gesellschaft am besten erreicht werden kann. Die Antwort lautet, eine klassenbasierte Reaktion als Alternative zu den selbstgefälligen oder Top-Down-Ansätzen, die die Regierungen bisher anwenden, zu entwickeln.
Die Superreichen haben wenig Schwierigkeiten, sich selbst zu isolieren. Sie können einfach in Privatjets zu Bunkern oder Urlaubsorten fliehen, oft mit Privatärzten im Schlepptau.[119] Für die Arbeiterklasse sind die Dinge schwieriger. Die wichtigsten Orte, an denen sich Menschen in den meisten kapitalistischen Gesellschaften konzentrieren, sind Betriebe. Ungefähr 90 Prozent der britischen Arbeitnehmer_innen arbeiten in Firmen mit zehn oder mehr Menschen – und etwa die Hälfte in Betrieben mit 100 oder mehr Menschen.[120] Daher ist es sinnlos, für räumliche Distanzierung zu plädieren, ohne die Schließung von Betrieben in Betracht zu ziehen. Natürlich sind einige Betriebe für die Bewältigung der Pandemie unerlässlich – Krankenhäuser sind am offensichtlichsten, aber dies kann auf Stromerzeugung, Lebensmittelversorgung und die Produktion dringend benötigter medizinischer Geräte ausgedehnt werden. Betriebe sollten auf lebensnotwendige Produktion umgestellt oder stillgelegt werden. Wo die Arbeit fortgesetzt werden muss, müssen die Arbeitsplätze regelmäßig gereinigt werden und es müssen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Gesundheit der Menschen getroffen werden, einschließlich der Möglichkeit, dass sich die Infizierten selbst isolieren. Diesen Unternehmen sollten Preiskontrollen auferlegt werden, um Geschäftemacherei zu verhindern.
Gründliche Isolationsmaßnahmen sind jedoch unmöglich, solange ein wirtschaftlicher Arbeitszwang besteht. Den Menschen muss ein Einkommen für die Dauer der Pandemie garantiert werden. In ihrem jüngsten Haushaltsplan hat die britische Regierung den Bezug des gesetzlichen Krankengelds auf Arbeitnehmer_innen, die von COVID-19 betroffen sind, ausgeweitet. Derzeit ist dies jedoch auf etwa ein Fünftel des durchschnittlichen Wochenverdienstes festgelegt. Für die große Anzahl von Arbeiter_innen, die nur ein Lohnzettel von der Zwangsräumung trennt, ist dies untragbar. Darüber hinaus haben viele »Scheinselbständige« – die bekanntesten sind Uber-Fahrer_innen oder Lieferando-Kuriere, aber auch eine weitaus größere Anzahl von Bauarbeiter_innen und anderen Dienstnehmer_innen fallen darunter – keinen Anspruch auf Krankengeld. Sie sind stattdessen auf sich selbst gestellt, was den Zugang zu Sozialleistungen betrifft, wenn sie überhaupt Ansprüche haben. Schulschließungen führen auch dazu, dass eine große Anzahl von Menschen aufgrund von Betreuungspflichten arbeitsunfähig ist. Der Hauptgrund, warum die britische Regierung bei der Schließung von Schulen hinter den meisten europäischen Ländern zurückblieb, ist, dass ihre Berater ihr erklärten, dass eine vierwöchige Schließung das BIP um 3 Prozent senken würde.[121] Die Linke sollte sich dafür einsetzen, dass die Eltern den vollen Lohn erhalten, wenn sie gezwungen sind, zu Hause zu bleiben und sich um Kinder zu kümmern.
Solche Forderungen sollten nicht im Namen eines fiktiven »nationalen Schulterschlusses« verfolgt werden, sondern im Interesse der Arbeiterklasse – auch wenn sie das Wirtschaftswachstum oder die Profite gefährden. Weil sie den Interessen der Kapitalistenklasse feindlich gegenüberstehen, müssen sie möglicherweise durch kollektives Handeln verfolgt werden. Hierfür gibt es in Teilen der Arbeiterklasse bereits erste gute Anzeichen. Die Beschäftigten der Londoner Royal Mail gingen Mitte März für Desinfektionsgel und -tücher auf die Straße, um sich vor dem Virus zu schützen. Müllarbeiter_innen in Glasgow veranstalteten ein Sit-In, weil sie weder Händedesinfektionsmittel noch heißes Wasser hatten. Privat angestellte Reinigungskräfte in einem Londoner Krankenhaus stellten die Arbeit wegen nicht ausbezahlter Löhne ein und betonten die Dummheit, die Krankenhaushygiene in diesem Moment zu sabotieren. Viele Universitäten haben unter dem Druck von Gewerkschaftsmitgliedern, die gerade noch im Streik waren, ihre Lehre auf den Online-Betrieb umgestellt.[122] Die Krise sollte nicht zu einer Aussetzung des Klassenkampfs führen, sondern zu seiner Eskalation.
Mit der Schließung von Betrieben und der Selbstisolierung der Menschen wächst die Herausforderung, sich um die Schwachen zu kümmern. Ein ermutigender Aspekt der Krise war die Einrichtung von Gruppen zur »Nachbarschaftshilfe«, die dies – großteils über Facebook oder WhatsApp organisiert – übernehmen. Meine lokale Gruppe beschreibt sich selbst folgendermaßen:
In Krisenzeiten brauchen wir uns gegenseitig. […] Gegenseitige Hilfe wird für viele, vor allem aber für die Schwachen in unserer Gesellschaft, unerlässlich sein. Wir werden uns bemühen, den Menschen den Zugang zu Lebensmitteln zu erleichtern, Arztrezepte abzuholen, Besorgungen zu erledigen und so weiter, insbesondere für ältere, behinderte und/oder immungeschwächte Menschen. Es werden keine Vorurteile toleriert. […] Wir zeigen, dass Leicester im Angesicht der Not an einem Strang zieht.
Ebenso argumentiert Wallace: »Selbstquarantäne mit geeigneter Unterstützung, ausgebildete Nachbarschaftshilfe, Lebensmittelwagen, die von Tür zu Tür fahren, Arbeitsbefreiung und Arbeitslosenversicherung – damit kann […] Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt werden, das wir benötigen.«[123] Insbesondere für Sozialist_innen, deren Betriebe geschlossen wurden, wird eine Verlagerung von arbeitsplatzbezogenen Aktivitäten hin zum Aufbau von Nachbarschaftshilfen wichtig. Solche Einrichtungen können sich mit Beschäftigten im Gesundheitswesen, Gewerkschaften und Gemeinschaftsorganisationen abstimmen, um eine echte Antwort der Arbeiterklasse auf die Krise zu entwickeln. Um sie mit den nötigen Mitteln zu versorgen, könnten sie von der lokalen oder nationalen Regierung Finanzmittel verlangen.
Aktivitäten in Gemeinschaften der Arbeiterklasse müssen sich nicht auf grundlegende Betreuungs- und Unterstützungsfunktionen beschränken. Es gibt ein besonders akutes Problem beim Wohnen. Wie Engels im 19. Jahrhundert feststellte, verbreiteten Mehrfamilienhäuser Krankheiten. Dies ist sicherlich eine Zeit, in der man auf die Übernahme des riesigen Bestands an leerstehenden Häusern in Städten wie London, von denen viele nur zu Anlagezwecken gehalten werden, in öffentliches Eigentum drängen sollte.[124] Diese könnten sowohl zur Unterbringung von Obdachlosen als auch zur Möglichkeit der Selbstisolierung verwendet werden.
Die Pandemie enthüllt auch den desolaten Zustand des National Health Service (Nationaler Gesundheitsdienst, NHS) nach einem Jahrzehnt der Sparmaßnahmen und mehreren Jahrzehnten der Privatisierung und Ökonomisierung. Großbritannien hat erschreckend wenige Betten, nur 2,8 pro tausend Einwohner – im Vergleich dazu sind es 11,5 in Südkorea, 8,3 in Deutschland, 3,4 in Italien – und noch weniger Intensivbetten. Kurzfristig könnte die von der Gewerkschaft GMB vorgeschlagene Beschlagnahmung privater Krankenhäuser den Druck etwas verringern.[125] Dies muss von einem massiven Investitionsprogramm im Gesundheitswesen begleitet werden. Eine wirksame Reaktion auf die Krise erfordert die Mobilisierung von Ressourcen und Menschen. Contact Tracing, Testungen, Reinigung sowie grundlegende Krankenpflege sind arbeitsintensiv. Während des SARS-Ausbruchs in Toronto, der nicht annähernd in der Größenordnung von COVID-19 lag, verbreitete sich das Virus in überfüllten öffentlichen Bereichen in Krankenhäusern von Mensch zu Mensch, da es aufgrund von Kürzungen der Gesundheitsbudgets an Einrichtungen, in denen Menschen isoliert werden konnten, und an Personal mangelte.[126] Aufmerksamkeit muss auch dem Schutz der Arbeiter_innen in diesen Bereichen gewidmet werden, die sich in Italien aufgrund unzureichender oder unzureichender Schutzausrüstung unverhältnismäßig stark infiziert haben.[127] Das Personal im Gesundheits- und Sozialwesen muss auch Zugang zu Tests und Tracing haben, um sicherzustellen, dass sie das Virus nicht unter Patienten, gefährdeten Bevölkerungsgruppen und Kolleg_innen verbreiten.
Die Ressourcen von Pharmaunternehmen sollten zusammen mit Universitätslaboren für die Erforschung von Impfstoffen und anderen möglichen Behandlungen genutzt werden. Dies sollte unter vollständiger Transparenz und öffentlicher Rechenschaftspflicht geschehen und dabei der missgünstige Schutz geistigen Eigentums und die Profitmacherei beseitigt werden, die die Impfstoffproduktion beeinträchtigen.[128] Jeder Impfstoff sollte in großem Maßstab hergestellt und zu Produktionskosten verfügbar gemacht werden – und kostenfrei im Globalen Süden.
Ganz allgemein werden Regierungen angesichts der sich entwickelnden Doppelkrise von COVID-19 und des Konjunktureinbruchs wahrscheinlich, wenn auch widerwillig, dazu gezwungen sein, Teile der Wirtschaft zu retten und zu erhalten. Die Linke muss sowohl darauf drängen, dass dies so weit wie möglich unter demokratischer Kontrolle durch die Arbeiter_innen geschieht, anstatt nach dem Diktat des kapitalistischen Staates, als auch offenlegen, was dies über die Grenzen des Kapitalismus als System zur Organisation der Produktion aussagt. Kapitalismus ist sowohl ein Auslöser von Pandemien als auch unfähig, angemessen auf sie zu reagieren – oder gar die anderen Bedürfnisse der siebeneinhalb Milliarden Bewohner_innen des Planeten zu befriedigen. Die Argumente für eine nachhaltige Planwirtschaft unter demokratischer Kontrolle – Argumente für eine sozialistische Transformation – könnten mit zunehmender Krise eine größere Zuhörerschaft finden.
Schließlich muss man gegen Sündenbockpolitik und Rassismus vorgehen. Es gibt eine lange Geschichte von Epidemien, die als das Werk von »außenstehenden Fremden« dargestellt werden. Jüdinnen und Juden litten unter Pogromen, nachdem sie im 14. Jahrhundert der Verbreitung der Beulenpest bezichtigt wurden. In den USA wurden im 19. Jahrhundert irische Einwanderer_innen als Mitbringer der Cholera angesehen, während Tuberkulose wiederum als »jüdische Krankheit« galt. Im 20. Jahrhundert waren Italiener_innen die Sündenböcke für die Ausbreitung von Polio.[129] Krankheiten werden oft nach ihrem vermuteten Herkunftsort benannt – zum Beispiel »spanische«, »russische«, »Hongkong« oder »mexikanische« Grippe – und oft waren Vorstellungen von Fremden, die Krankheiten einschleppen, mit imperialistischer Konkurrenz verknüpft. Der aktuelle Ausbruch ist keine Ausnahme, hängt er doch mit dem anhaltenden Konflikt zwischen dem chinesischen und dem US-amerikanischen Staat zusammen. Daher bezeichnet Trump das Virus, das COVID-19 verursacht, als »fremdes« oder »chinesisches« Virus.[130]
Die Verbindung von COVID-19 mit der chinesischen Bevölkerung hat eine Welle rassistischer Angriffe in Großbritannien, den USA und anderswo ausgelöst. Die Welle traf größtenteils die wachsende Zahl chinesischer Studierender, deren Zahlung exorbitanter Studiengebühren dazu beigetragen haben, die britischen Hochschulen über Wasser zu halten. Jede kohärente sozialistische Reaktion muss der versuchten Radikalisierung des Ausbruchs durch Schaffung von Sündenböcken unter migrantischen Communities entgegentreten – und sich der Schließung von Grenzen widersetzen, was die Ausbreitung des Virus kaum verlangsamen wird, da es in den meisten Gesellschaften Fuß gefasst hat.
Schlussfolgerung
Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen bilden lediglich einen Abriss der unmittelbaren Forderungen, die die Linke bei der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie stellen könnte. Leider wird dies nicht die letzte große Pandemie sein, die unser Leben bedroht – es ist möglicherweise nicht einmal die tödlichste. Wir leben in einer Welt und Zeit, die reif für die Verbreitung solcher Krankheiten ist, sei es auf Wet Markets in Wuhan, in industrialisierten Schweinefarmen in Europa oder in Hühnerfabriken in den USA. Daher ist neben diesen unmittelbaren Forderungen eine tiefere Infragestellung des Systems, das Pandemien hervorruft, erforderlich. Wie der scharfsinnige Rob Wallace es ausdrückt:
Die Agrarindustrie als Form der sozialen Reproduktion muss für immer abgeschafft werden, schon allein aus Gründen der allgemeinen Gesundheit. Die hoch industrialisierte Produktion von Nahrungsmitteln hängt von Praktiken ab, die die gesamte Menschheit gefährden und in diesem Fall dazu beitragen, eine neue tödliche Pandemie auszulösen. Wir sollten fordern, dass die Nahrungsmittelsysteme so verstaatlicht werden, dass solche gefährlichen Krankheitserreger erst gar nicht entstehen können. Dazu muss die Nahrungsmittelproduktion zunächst wieder in die Bedürfnisse der ländlichen Gemeinden integriert werden. Das wird agroökologische Praktiken erfordern, die die Umwelt und die Bäuerinnen und Bauern beim Anbau der Nahrungsmittel schützen. Der große Rahmen ist: Wir müssen den metabolischen Riss heilen, der unsere Ökologie von unserer Wirtschaft trennt. Kurz gesagt: Wir haben eine Welt zu gewinnen.[131]
Um eine solche Transformation zu erreichen, und nicht nur dies, sondern um die Welt von Klassentrennung, Rassismus, imperialistischen Konflikten und katastrophalem Klimawandel zu befreien, wird immer deutlicher, dass ein Bruch mit der gesamten Logik des Kapitalismus notwendig ist. Dass wir uns letztendlich zwischen Sozialismus und Barbarei entscheiden, ist seit vielen Jahrzehnten unter Linken eine Binsenweisheit. COVID-19 ist eine Warnung: Sie sagt uns, dass die Uhr tickt.
Zum Text:
Der Artikel erschien zuerst auf Englisch in der britischen Zeitschrift International Socialism Journal. Auf Deutsch zuerst veröffentlicht auf linkswende.org. Übersetzung aus dem Englischen von Marilen Lorenz und David Albrich. Lektorat von Katharina Anetzberger.
[1] Dank geht an Alex Callinicos, Esme Choonara, Martin Empson, Charlie
Kimber, Richard Donnelly und John Parrington für ihre Kommentare zu
früheren Entwürfen dieses Artikels.
[2] Viren sind einfache Bausteine eines genetischen Codes (DNA oder RNA), einige mit einer Hülle, die sich nur in Zellen von Lebewesen reproduzieren können. Sobald ein Wirt infiziert ist, kann sich das Immunsystem an das Virus anpassen und eine Immunität gegen das Pathogen, den Krankheitserreger, entwickeln. allerdings kann der genetische Code eines Virus mutieren und neue Formen des Virus erzeugen.
[3] World Health Organization, WHO MERS-CoV Global Summary and Assessment of Risk (21. Juli 2017).
[4] World Health Organization, Coronavirus disease 2019 (Covid-19) Situation Report – 46 (6. März 2020). Die Zahl der Todesfälle pro Infektion ist wahrscheinlich viel niedriger, da manche Infektionen nicht erfasst werden. Die Zahlen variieren auch nach Ländern, sie spiegeln etwa das Ausmaß der Belastung der Gesundheitssysteme wider.
[5] David Morens, Peter Dazak und Jeffery Taubenberger, Escaping Pandora’s Box – Another Novel Coronavirus, in: New England Medical Journal (26. Februar2020), S. 1-2. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[6] Das Virus mutiert zwar in den Vögeln, aber es ist weniger wahrscheinlich, dass neue Stämme die vorhergehenden ersetzen, weil es relativ gutartig ist und sich leicht verbreitet. George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 26-27.
[7] ebd., S. 27-29.
[8] ebd., S. 12.
[9] Genauer gesagt, Fledermäuse sind die Hauptreservoire für die Gattungen Alphacoronavirus und Betacoronavirus.
[10] Ben Hu , Xingyi Ge, Lin-Fa Wang und Zhengli Shi, Bat Origin of Human Coronaviruses, in: Virology Journal, volume 12, number 221 (2015).
[11] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 33-34.
[12] William H. McNeill, Die großen Epidemien. Ihre Auswirkungen auf Völker und Staaten von den Anfängen bis zur Gegenwart (Bergisch Gladbach, 1983), S. 102-189.
[13] ebd., S. 150.
[14] Wahrscheinlich trug auch der Klimawandel zu einer Explosion der erkrankten Nagetierpopulation bei. Dieser vertrieb die Nager aus ihrem natürlichen Lebensraum in die Nähe von Menschen. Eine Erinnerung an die möglichen Folgen, die heute durch den menschgemachten Klimawandel drohen. Irwin W. Sherman, Twelve Diseases that Changed our World (Washington, DC, 2007), S. 73-74.
[15] William H. McNeill, Die großen Epidemien. Ihre Auswirkungen auf Völker und Staaten von den Anfängen bis zur Gegenwart (Bergisch Gladbach, 1983), S. 190-209.
[16] ebd., S. 213.
[17] ebd., S. 251-255. Jared Diamond weist darauf hin, dass die meisten großen Tiere, die sich für die Domestizierung eigneten, in Eurasien gefunden wurden, während einige große, in Amerika heimische Säugetiere vor rund 13.000 Jahren ausgestorben sind. Das Lama und das Alpaka sind die häufigsten Ausnahmen, wenngleich ihre Domestizierung nicht weit über die Anden hinausging. Diese Tiere hielt man eher in kleineren Herden als ihre eurasischen Pendants und außerhalb der Wohnungen. Jared Diamond, Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften (Frankfurt am Main, 1999), S. 190-193, 230-231, 264.
[18] William H. McNeill, Die großen Epidemien. Ihre Auswirkungen auf Völker und Staaten von den Anfängen bis zur Gegenwart (Bergisch Gladbach, 1983), S. 256-7.
[19] Frederick F. Cartwright und Michael B. Biddiss, Disease and History (Cheltenham, 2004), S. 79.
[20] ebd., S. 80; Irwin W. Sherman, Twelve Diseases that Changed our World (Washington, DC, 2007), S. 56.
[21] Der Philosoph Immanuel Kant vermerkte in Reaktion auf eine Influenza-Epidemie, die im Frühling 1782 Königsberg erreichte: »Die Gemeinschaft, darin sich Europa mit allen Welttheilen durch Schiffe sowohl als Carawanen gesetzt hat, verschleppt viele Krankheiten in der ganzen Welt herum.« Immanuel Kant, Nachricht an Ärzte [1782], in: Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften (Hamburg, 1985).
[22] Martin Daunton, Progress and Poverty (Oxford, 1995), S. 408-13. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[23] Irwin W. Sherman, Twelve Diseases that Changed our World (Washington, DC, 2007), S. 56.
[24] ebd., S. 107.
[25] ebd., S. 107-108, 110.
[26] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 51.
[27] Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England [1845], in: Karl Marx und Friedrich Engels, MEW 2 (Berlin, 1962), S. 295-296.
[28] Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage [1872], in: Karl Marx und Friedrich Engels, MEW 18 (Berlin, 1976), S. 233-234.
[29] Daniel Flecknoe , Benjamin Charles Wakefield und Aiden Simmons, Plagues & Wars: The »Spanish Flu« Pandemic as a Lesson from History, in: Medicine, Conflict and Survival, Volume 34, Issue 2 (2018).
[30] Mike Davis, Planet der Slums (Berlin/Hamburg, 2007), S. xx-xx. Die Plagen, die der Globale Süden aufgrund des Imperialismus erlebt, sind nicht auf diejenigen beschränkt, die den Menschen direkt betreffen. In den 1880er Jahren wurde die Rinderpest durch indische Rinder, die von italienischen Kolonisten nach Eritrea in Ostafrika gebracht wurden, nach Afrika eingeführt. Sie verbreitete sich über Ochsenkarrenwege bis nach Südafrika, mit einer Geschwindigkeit von 20 Meilen pro Tag, und zerstörte Gemeinden, die auf Rinder zur Gewinnung von Milch, Fleisch, Leder, Mist zum Heizen und Kochen, und als Zugtiere oder Tauschmittel angewiesen waren – Pule Phoofolo, Epidemics and Revolutions: The Rinderpest Epidemic in Late Nineteenth-Century Southern Africa, in: Past & Present, volume 138, number 1 (1993). Die Seuche war katastrophal – 5,2 Millionen Rinder starben südlich des Flusses Sambesi. Die Folge war eine Hungersnot und später das Eindringen von Dornbüschen in die Savanne, das ideale Bedingungen für die Tsetsefliege schuf und eine neue Plage der Schlafkrankheit mit sich brachte – Chuang, Social Contagion: Microbiological Class War in China (Februar 2020); Peter Van der Bossche, Stéphane de La Rocque, Guy Hendrickx und Jérémy Bouyer, A Changing Environment and the Epidemiology of Tsetse-transmitted Livestock Trypanosomiasis, in: Trends in Parasitology, volume 26, number 5 (2010).
[31] William H. McNeill, Die großen Epidemien. Ihre Auswirkungen auf Völker und Staaten von den Anfängen bis zur Gegenwart (Bergisch Gladbach, 1983), S. 263; Frederick F. Cartwright und Michael B. Biddiss, Disease and History (Cheltenham, 2004), S. 149.
[32] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 57.
[33] In Spanien, das sich im Krieg neutral verhielt, konnten die Zeitungen frei und ohne Zensur, wie sie in den Kriegsländern üblich war, über den Ausbruch der Grippe berichten, und den Eindruck erweckten, dass es dort besonders schlimm war, und somit das Bild verstärken, dass die Krankheit spanischen Ursprungs wäre. In Spanien wurde sie »Soldat von Neapel« genannt, nach eine berühmte Operette, die als ähnlich »ansteckend« galt, und später »Französische Grippe« – siehe Antoni Trilla, Guillem Trilla und Carolyn Daer, The 1918 »Spanish Flu« in Spain, Clinical Infectious Diseases, volume 47 (2008). Der Ursprung des Ausbruchs ist nach wie vor nicht geklärt, wobei Autoren unter anderem die Vereinigten Staaten, Österreich und Frankreich vermuten.
[34] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 60. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[35] William J. Liu, Yuhai Bi, Dayan Wang, George F Gao, On the Centenary of the Spanish Flu: Being Prepared for the Next Pandemic, in: Virologica Sinica, volume 33 (2018), S. 463.
[36] Siehe zum Beispiel Denise E. Morris, David W. Cleary und Stuart C. Clarke, Secondary Bacterial Infections Associated with Influenza Pandemics, Frontiers in Microbiology, volume 8 (2017).
[37] Arnold S. Monto und Chloe Sellwood, 2013, History and Epidemiological Features of Pandemic Influenza, in: Jonathan Van-Tam und Chloe Sellwood (Hrsg.), Pandemic Influenza, 2nd edition (CABI), S. 42.
[38] Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S. 29-31; Mike Davis, Corona in den USA: Das Monster vor der Tür, in: marx21 (27. März 2020).
[39] Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S. 35-42.
[40] Arnold S. Monto und Chloe Sellwood, 2013, History and Epidemiological Features of Pandemic Influenza, in: Jonathan Van-Tam und Chloe Sellwood (Hrsg.), Pandemic Influenza, 2nd edition (CABI), S. 44-45.
[41] Aus Platzgründen kann hier nur ein selektiver Überblick gegeben werden, nicht behandelt werden etwa die besonders wichtigen HIV- und Zikavirus-Pandemien.
[42] Rob Wallace, Big Farms Make Big Flu (New York City, 2016).
[43] Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S. 76-77.
[44] Chuang, Social Contagion: Microbiological Class War in China (Februar 2020).
[45] Tiffany Y. Strauchs, The History of Machupo Virus in Bolivia, in: The Sloping Halls Review, volume 5 (1998), S. 102-103.
[46] David Morens, Peter Dazak und Jeffery Taubenberger, Escaping Pandora’s Box – Another Novel Coronavirus, in: New England Medical Journal (26. Februar2020), S. 2.
[47] Lai-Meng Looi und Kaw-Bing Chua, Lessons from the Nipah Virus Outbreak in Malaysia, in: Malaysian Journal of Pathology, volume 29, number 2 (2007).
[48] Rob Wallace, Richard Kock, Luke Bergmann, Marius Gilbert, Lenny Hogerwerf, Claudia Pittiglio, Raffaele Mattioli und Rodrick Wallace, Did Neoliberalizing West African Forests Produce a New Niche for Ebola?, in: International Journal of Health Services, volume 46, number 1 (2015), S. 4, 6.
[49] Rob Wallace, Coronavirus: Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren, Interview, in: marx21 (11. März 2020).
[50] Ein »Wet Market«, ein aus dem Hongkong-Englischen abgeleiteter Begriff, ist einfach ein Markt, auf dem verderbliche Waren wie Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse verkauft werden, im Gegensatz zu einem »trockenen Markt«, auf dem Produkte wie Kleidung oder elektronische Waren verkauft werden. Der Begriff wird in der jüngsten Berichterstattung manchmal in abfälliger Weise verwendet (im deutschsprachigen Raum »Wildtiermarkt«, Anm. d. Ü.), um anzudeuten, dass die kulinarischen Gewohnheiten der Chinesen irgendwie für den Ausbruch verantwortlich sind. Es gibt jedoch viele »Wet Markets« in Europa und Nordamerika, und, wie ein Autor betont, floriert in Südflorida der Handel mit Alligatoren-Rippchen, Bisamratten, Rotluchsen und Klapperschlangen – siehe Christopher St Cavish, Commentary: No, China’s Fresh Food Markets did not Cause Coronavirus«, in: Los Angeles Times (11. März 2020).
[51] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 121-122. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[52] Rob Wallace, Breeding Influenza: The Political Virology of Offshore Farming, in: Antipode, volume 41, number 5 (2009), S. 923-926. Auch die Schweinehaltung ist in China inzwischen stark industrialisiert – siehe Mindi Schneider, Wasting the Rural: Meat, Manure, and the Politics of Agro-industrialization in Contemporary China, in: Geoforum, volume 78 (2017).
[53] Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S. 57-64.
[54] ebd., S. 87-90.
[55] Rob Wallace, Breeding Influenza: The Political Virology of Offshore Farming, in: Antipode, volume 41, number 5 (2009), S. 921-922. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[56] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 126.
[57] ebd., S. 125-126.
[58] Rob Wallace, Breeding Influenza: The Political Virology of Offshore Farming, in: Antipode, volume 41, number 5 (2009), S. 918.
[59] World Health Organization, Cumulative number of confirmed human cases for avian influenza A(H5N1) reported to WHO, 2003-2020, (20. Jänner 2020). Ein zweiter Grippestamm, H7N9, hat in China wiederholt Epidemien hervorgerufen, mit 1.568 bestätigten Fällen und 616 Todesfällen bis Dezember 2019, wiederum hauptsächlich bei Personen, die mit Geflügel in Kontakt gekommen sind, allerdings abermals mit seltenen Fällen von Mensch-Mensch-Übertragung – World Health Organization, Recommended Composition of Influenza Virus Vaccines for Use in the 2020 Southern Hemisphere Influenza Season (September 2019); Catharine Paules und Kanta Subbarao, Influenza, in: Lancet, volume 390 (2017).
[60] Rob Wallace, The Agro-Industrial Roots of Swine Flu H1N1, in: Farming Pathogens (26. April 2009).
[61] George Dehner, Global Flu and You: A History of Influenza (London, 2012), S. 142.
[62] Fiona Godlee, Conflict of Interest and Pandemic Flu, in: British Medical Journal, volume 340 (2010).
[63] Ben Hu, Lei-Ping Zeng, Xing-Lou Yang und 14 andere Autoren, Discovery of a Rich Gene Pool of Bat SARS-related Coronaviruses Provides New Insights into the Origin of SARS Coronavirus, in: PLOS Pathogens (30. November 2017)..
[64] George C. S. Lin, Evolving Spatial Form of Urban‐Rural Interaction in the Pearl River Delta, China, in: The Professional Geographer, volume 53, number 1 (2001), S. 64, 66.
[65] S. Harris Ali und Roger Keil, Global Cities and the Spread of Infectious Disease: The Case of Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) in Toronto, Canada, in: Urban Studies, Volume 43, Number 3 (2006), S. 497-498.
[66] Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S. 69-71.
[67] Annelies Wilder-Smith, Calvin J. Chew und Vernon J. Lee, Can We Contain the Covid-19 Outbreak with the Same Measures as for SARS?, in: Lancet Infectious Diseases (5. März 2020).
[68] Noah C. Peeri, Nistha Shrestha, Md Siddikur Rahman und sieben andere, The SARS, MERS and Novel Coronavirus (Covid-19) Epidemics, the Newest and Biggest Health Threats: What Lessons have we Learned?, in: International Journal of Epidemiology (2020).
[69] M. G. Hermida, A. Elmoslemany, F. Al-Hizab und sieben andere, 2017, Dromedary Camels and the Transmission of Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV), in: Transboundary and Emerging Diseases, volume 64 (2017).
[70] Chuang, Social Contagion: Microbiological Class War in China (Februar 2020).
[71] HSBC, Wuhan: China’s Most Central City, in: Sinopolis (2018); Forbes, #153 Yan Zhi, in: Forbes profile (2020).
[72] Rob Wallace, Notes on a Novel Coronavirus, in: MRonline (29. Jänner 2020).
[73] Michael Standaert, Coronavirus Closures Reveal Vast Scale of China’s Secretive Wildlife Farm Industry, in: Guardian (25. Februar 2020).
[74] S. Harris Ali und Roger Keil, Global Cities and the Spread of Infectious Disease: The Case of Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) in Toronto, Canada, in: Urban Studies, Volume 43, Number 3 (2006), S. 500.
[75] Noah C. Peeri, Nistha Shrestha, Md Siddikur Rahman und sieben andere, The SARS, MERS and Novel Coronavirus (Covid-19) Epidemics, the Newest and Biggest Health Threats: What Lessons have we Learned?, in: International Journal of Epidemiology (2020), S. 8.
[76] IATA data; Jiaoe Wang, Haoran Yang und Han Wang, The Evolution of China’s International Aviation Markets from a Policy Perspective on Air Passenger Flows, in: Sustainability, volume 11 (2019), S. 5.
[77] Chuang, Social Contagion: Microbiological Class War in China (Februar 2020).
[78] Daten der WTO.
[79] Yuan Yang und Kathrin Hille, China factory index hits record low on coronavirus, in: Financial Times (29. Februar 2020).
[80] Derek Brower, Anjli Raval, David Sheppard und Gregory Meyer, Eight Days that Shook the Oil Market – and the World, Financial Times (13. März 2020).
[81] Siehe zum Beispiel Adam Tooze, Crashed. Wie zehn Jahre Finanzkrise die Welt verändert haben (München, 2018), S. 239-258.
[82] Michael Roberts, Disease, Debt and Depression, in: Michael Roberts Blog (2020).
[83] Joseph Choonara, The Political Economy of a Long Depression, in: International Socialism 158 (Frühjahr 2018), S. 107. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[84] ebd., S. 104-5. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[85] John Plender, The Seeds of the Next Debt Crisis, in: Financial Times (4. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[86] Andrew Edgecliffe-Johnson, Peggy Hollinger, Joe Rennison und Robert Smith, Will the Coronavirus Trigger a Corporate Debt Crisis?, in: Financial Times (12. März 2020). Ich habe bereits auf »Zombie-Firmen« hingewiesen, in Joseph Choonara, The Political Economy of a Long Depression, in: International Socialism 158 (Frühjahr 2018), S. 105-7. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[87] John Plender, The Seeds of the Next Debt Crisis, in: Financial Times (4. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[88] Michael Roberts, Let’s Get Fiscal, in: Michael Roberts Blog (2020).
[89] Raymond Zhong und Paul Mozur, To Tame Coronavirus, Mao-Style Social Control Blankets China, in: New York Times (15. Februar 2020).
[90] Das ist ohnehin ein Mythos. Bergan Evans kommentiert den »Mythos der faschistischen Effizienz«: »Der Urheber war im Sommer 1930, Mussolinis Blütezeit, als Kurier bei der Firma Franco-Belgique Tours angestellt, als in jedem Zug eine faschistische Wache mitfuhr, und ist bereit, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass die meisten italienischen Züge, mit denen er gereist ist, nicht nach Fahrplan fuhren – nicht einmal annähernd.« Bergen Evans, The Spoor of Spooks, and Other Nonsense (New York City, 1954), S. 77. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[91] Shawn Yuan, How China is Using AI and Big Data to Fight the Coronavirus, in: Al Jazeera (1. März 2020). Zur Entstehung des auf sozialen Medien basierenden Überwachungssystems Chinas siehe Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus (Frankfurt am Main, 2018), S. 451-458.
[92] Chuang, Social Contagion: Microbiological Class War in China (Februar 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[93] ebd. Eigene Übersetzung aus dem Englischen
[94] ebd. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[95] Raymond Zhong und Paul Mozur, To Tame Coronavirus, Mao-Style Social Control Blankets China, in: New York Times (15. Februar 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[96] Zitiert nach Raymond Zhong und Paul Mozur, To Tame Coronavirus, Mao-Style Social Control Blankets China, in: New York Times (15. Februar 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[97] Chris Buckley und Steven Lee Myers, A New Coronavirus Spread, China’s Old Habits Delayed Fight, in: New York Times (1. Februar 2020).
[98] Paolo Tamma, Coronavirus Sparks Nationwide Strikes in Italy, in: Politico (13. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[99] Alessio Perrone, How Italy Became the Ground Zero of Europe’s Coronavirus Crisis, in: Wired (14. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[100] Simon Basketter, Italian Workers Fight to Shape Response to Coronavirus, in: Socialist Worker (13. März 2020); Gianni Del Panta, Italian Worker Says »We are Ready to Fight« for Coronavirus Action, in: Socialist Worker (15. März 2020).
[101] Jake Lahut, 5 Times Trump and US Officials Downplayed Coronavirus as the Administration Struggled to Prepare for the Growing Pandemic, in: Business Insider (12. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[102] Dylan Scott, Coronavirus is Exposing All of the Weaknesses in the US Health System, in: Vox (16. März 2020).
[103] Sarah Boseley, Health Expert Brands UK’s Coronavirus Response »pathetic«, in: Guardian (12. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[104] Mark Landler, Stephen Castle und Benjamin Mueller, UK Shields Its Economy from the Virus, but Not Yet Its People, in: New York Times (11. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[105] Heather Stewart, Kate Proctor und Haroon Siddique, Johnson: Many more People will Lose Loved Ones to Coronavirus, in: Guardian (12. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[106] Richard Horton, Scientists Have Been Sounding the Alarm on Coronavirus for Months. Why did Britain Fail to Act?, in: Guardian (18. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[107] Jeremy Warner, Have the Cavalry Ridden in too Early – or Are They Heading Off a Crash?, in: Daily Telegraph (4. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[108] Heather Stewart, Sarah Boseley, Peter Walker und Larry Elliott, PM Tells Britons to Avoid Non-essential Travel and Contact, in: Guardian (16. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[109] Neil M. Ferguson, Daniel Laydon, Gemma Nedjati-Gilani, und 28 andere, Impact of Non-Pharmaceutical Interventions (NPIs) to Reduce Covid19 Mortality and Healthcare Demand, in: Imperial College Covid-19 Response Team (16. März 2020). Eigene Übersetzung aus dem Englischen.
[110] Alexander E. Kentikelenis, Structural Adjustment and Health: A Conceptual Framework and Evidence on Pathways, in: Social Science & Medicine, Volume 187 (2017).
[111] David Pilling, Coronavirus and the Collapse of Global Public Health, in: Financial Times, (12. März 2020).
[112] Linda Nordling, »A Ticking Time Bomb«: Scientists Worry about Coronavirus Spread in Africa, in: Science (15. März 2020); Mike Davis, Corona in den USA: Das Monster vor der Tür, in: marx21 (27. März 2020).
[113] Daten der WHO.
[114] Wenn COVID-19 nicht unterdrückt wird und eine dauerhafte Ergänzung des Pools von Infektionskrankheiten darstellt, von denen die Menschheit betroffen ist, könnte die »Herdenimmunität« schließlich relevant werden. Dies ist die Vorstellung, dass manche Menschen, wenn sie gegen eine Krankheit immun werden, ihre Ausbreitung in der breiteren Bevölkerung verlangsamen können, indem sie die Anzahl derer verringern, die sie übertragen können. Sofern dies nicht durch ein Impfprogramm erreicht wird, sollte dies als schreckliches Ergebnis des Versäumnisses angesehen werden, die Ausbreitung der Krankheit zu stoppen – nicht als erklärtes Ziel der Regierung.
[115] Paul L. Delamater, Erica J. Street, Timothy F. Leslie, Y. Tony Yang und Katherine H. Jacobsen, Complexity of the Basic Reproduction Number (R0), in: Emerging Infectious Diseases, Volume 25, Nummer 1 (2019).
[116] Selbst im optimistischsten Szenario prognostiziert ihr Modell etwa eine Viertelmillion Todesfälle – Neil M. Ferguson, Daniel Laydon, Gemma Nedjati-Gilani, und 28 andere, Impact of Non-Pharmaceutical Interventions (NPIs) to Reduce Covid19 Mortality and Healthcare Demand, in: Imperial College Covid-19 Response Team (16. März 2020), S. 7, 16.
[117] ebd., S. 16.
[118] Stephen Buranyi, How Profit Makes the Fight for a Coronavirus Vaccine Harder, in: Guardian (4. März 2020); Neil M. Ferguson, Daniel Laydon, Gemma Nedjati-Gilani und 28 andere, Impact of Non-Pharmaceutical Interventions (NPIs) to Reduce Covid19 Mortality and Healthcare Demand, in: Imperial College Covid-19 Response Team (16. März 2020).
[119] Rupert Neate, Super-rich Jet Off to Disaster Bunkers amid Coronavirus Outbreak, in: Guardian (11. März 2020); Rao Ganesh, Coronavirus: What the Wealthiest 1% are Doing to Try and Avoid the Outbreak, in: Sky News (11. März 2020).
[120] Daten von WERS 2011.
[121] Richard Adams, School Closures Could Wipe 3% from UK GDP, Ministers Warned, in: Guardian (13. März 2020).
[122] Socialist Worker, Anger Over Unsafe Work Conditions Spurs some Coronavirus Strikes, in: Socialist Worker (16. März 2020).
[123] Rob Wallace, Coronavirus: Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren, Interview, in: marx21 (11. März 2020).
[124] Eine konservative Schätzung, die nur Häuser abdeckt, die langfristig leer stehen, legt nahe, dass es in England davon 216.000 gibt. Julia Kollewe, Number of Empty Homes in England Rises to More Than 216,000, in: Guardian (11. März 2019).
[125] GMB, GMB Calls for Requisition of Private Hospital Beds in Fight Against Coronavirus, GMB Website (13. März 2020).
[126] S. Harris Ali und Roger Keil, Global Cities and the Spread of Infectious Disease: The Case of Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) in Toronto, Canada, in: Urban Studies, Volume 43, Number 3 (2006), S. 501; Mike Davis, Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien (Berlin/Hamburg, 2005), S.71-72.
[127] Elisa Oddone, Thousands of Medical Staff Infected with Coronavirus in Italy, in: Al Jazeera (18. März 2020).
[128] Stephen Buranyi, How Profit Makes the Fight for a Coronavirus Vaccine Harder, in: Guardian (4. März 2020).
[129] Frederick F. Cartwright und Michael B. Biddiss, Disease and History (Cheltenham, 2004), S. 39; Irwin W. Sherman, Twelve Diseases that Changed our World (Washington, DC, 2007), S. 111-12; Alan M. Kraut, Immigration, Ethnicity, and the Pandemic, in: Public Health Reports, volume 125 (2010), S. 125.
[130] Ben Zimmer, Why Trump Intentionally Misnames the Coronavirus, in: The Atlantic (12. März 2020); Lily Kuo, Trump Sparks Anger by Calling Coronavirus the »Chinese Virus«, in: Guardian (17. März). Eigene Übersetzung aus dem Englischen. Einige chinesische Beamte scheinen sich revanchiert zu haben, indem sie behaupteten, die Pandemie sei von der US-Armee ausgelöst worden – Steven Lee Myers, China Spins Tale That the US Army Started the Coronavirus Epidemic, in: New York Times (13. März 2020). Nicht zu übertrumpfen, beschuldigte Viktor Orbán, Ungarns rechtsradikaler Führer, iranische Migranten, COVID-19 verbreitet zu haben.
[131] Rob Wallace, Coronavirus: Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren, Interview, in: marx21 (11. März 2020).